Simultan

Weg aus der Provinz / Sortir de la province

Aus Simultan

Version vom 9. Dezember 2011, 12:21 Uhr von Wiebkez (Diskussion | Beiträge)

Ich habe diese verdammten drei Jahre Polizeischule gemacht, in einem verfluchten Kleinstadtrevier gearbeitet, und dann: Ich musste da raus. Ich meine, wir haben doch nur dieses eine Leben. Wenn du in der Provinz im Revier bist, ist das, als würdest du kellnern, anderen Leuten den Arsch abwischen, die Besoffenen in die Ausnüchterungszellen bringen (sollen sie doch draußen verrecken, damn it, aber das darfst du nicht sagen, überhaupt: du musst nett sein, immer nett sein, vielleicht erinnert einer dein Gesicht, deinen Namen, und dann bist du unten durch in der Dorfgemeinschaft. Bist du durch in der Region, ich sag's dir). Jedenfalls wollte ich mehr. Ich bewarb mich auf eine Weiterbildung zur Vorbereitung auf die internationale polizeiliche Zusammenarbeit. Ja, ich habe zu viel ferngesehen. Interpol, der Ausblick war betörend, ich war naiv wie ein Teenager, der das Wendy-Abonnement abbestellt und sich damit erwachsen fühlt. Gott!

Die Fortbildung: Sprechen wir nicht drüber, da war ein fetter mächtiger Mann, der meinen Körper wollte und ich wollte seine Bestbenotung: Am Ende hatten wir beide, was wir wollten.

Und dann Interpol, Warschau, ich dachte:
Das ist es jetzt.
Das,
Dass ich bei Interpol arbeite, ein besseres Gehalt bekomme, in Warschau bin (alle Provinzbullen wollen nach Warschau, aber das sagt kaum einer, die Frau, die Kinder, man gibt sich heimatverbunden, und in den Fächern liegen doch die Briefchen: Die Einladungen zu Bewerbungsgesprächen, dann die krank vorgetäuschten Tage, später die Stellenabsagen, die Weihnachtsfeier, der ganze Schrott von vorn – Und ich dachte: Ich bin raus). Ich habe wirklich geglaubt, die empfangen mich auf dem roten Teppich. Aber nichts da. Es war noch schlimmer als in der Provinz. Weißt du, in der Provinz nimmst du wenigstens manchmal wen fest, und neben all den kaputten Autos, verlorenen Katzen (welcher Sch*autor auch immer Geschichten schreibt, in denen die Polizei Kindern hilft, ihre verlorenen Haustiere zu finden, god damn him) – neben all dem Mist, fängst du ja von Zeit zu Zeit doch mal einen Bankräuber, einen Tankstellenplünderer oder einen Vergewaltiger. Der große Coup, sozusagen. Bei Interpol, da dachte ich, fangen sie die richtig großen Bösen. Da kann man wirklich was erreichen! 
Dachte ich. Kam in unser Büro, begrüßt von Valerii, meinem Chef, der mir erklärte, wie er den Kaffee am liebsten trinke und dass er hoffe, es würde nicht allzulang dauern, bis ich den Dreh raushätte. Das störe ihn wirklich, wenn die Leute einfach nicht begriffen, wie man guten Kaffee macht. Ganz einfach, ein Espresso, nochmal ein bisschen Wasser drauf, verlängert, aber nur ein klein wenig, er zeigte die Wassermenge mit den Fingern, ganz ernst, dazu eine Dreiviertelportion Rahm, Dreiviertel, nicht zwei Drittel, man schmeckt den Unterschied!, und ein halbes Stück Würfelzucker. Ihre Vorgängerin ist gegangen, weil sie Rohrzucker genommen hat, statt des weißen. Merken Sie sich das.
Das war mein erster Tag bei Europol. Weißer Zucker, weißt du. Ich hab noch gedacht, gut, dummer Scherz, der will wissen, was er mit mir machen kann. Am nächsten Tag hab ich ihm den Kaffee gebracht, so viel bestellt, und er sagte nur: Schätzchen, wenn der in einem Monat noch so schmeckt, bist du entlassen. Ähh, darf ich Dir das Sie anbieten, du Arsch?

Damn it. Jetzt bin ich seit drei Jahren hier. Kaffee, Papiere sortieren, manchmal Büroklammen. Das hat er sich ausgedacht, als seine Frau ihn verlassen hat, hat mir ein Kollege erzählt. Dass er seine Sch*Aggression an seinem Fußvolk auslassen kann.

Es reichts. Drei Jahre und keinen Schritt weiter. Ich werde auf eigene Faust ermitteln – und ihm beweisen, was ich kann: Ich will die großen Fische!