Simultan
Matteo und die Frauen
Aus Simultan
Matteo starrte sie an. Diese nasse, halbnackte, stinkende Frau.
Mit den Händen wühlte sie in den Kleidern. Bis zum Oberkörper steckte sie in den Fächern der Regale, zog alles hervor, was sie fand, schmiss es hinter sich. Und rannte weiter zum nächsten Tisch.
Dann sah sie ihn, erstarrte mitten in der Bewegung. Und schmiss ohne Vorwarnung die Kleider, die sie in den Händen hielt, auf ihn.
Aber das war es nicht, was ihn entsetzte. Er dachte an Anna, die mit Meissner Porzellan nach ihm geschmissen hatte. Ein Eierbecher hatte ihn direkt an der Stirn getroffen und ihm war schwarz vor Augen geworden. Auch als die Verrückte ihn anschrie und sich an den eigenen Haaren zog, schockierte ihn das nicht. Constanza hatte damals geschlagene eineinhalb Stunden ohne Unterbrechung ihn angeschrien und sich immer, wenn sie doch einmal Luft holen musste, mit den Fingern das Gesicht zerkratzt. Dass die Wahnsinnige auf ihn zu ging und mit den Händern vor dem Gesicht rumfuchtelte erinnerte ihn an Aria, wie sie damals stumm weinend und nackt vor ihm gestanden hatte, ihn anschaute während das Wasser aus ihren roten Augen lief und sie mit den Finger vor seinen Augen wedelte, als wollte sie ihn aufwecken.
Was ihm Angst einjagte war etwas anderes.
Es hatte zu tun mit der Art wie diese Frau ihn anschaute. Oder eher wie sie ihn nicht anschaute. Nicht so wie er es kannte. Wenn eine Frau ihn zum ersten Mal sah, und manchmal passierte es auch noch beim zweiten oder dritten Mal, dann gab es immer diesen Moment. Manchmal sah er es sogar in den Augen der Männder. Sie schauten ihn an. Und im nächsten Moment leuchtete etwas auf in ihren Augen. Eine Erkenntnis. Ein Geheimnis, das sie entdeckt hatten. Eine Faszination, ein Wunsch, den sie nicht mehr zum Schweigen brachten. Und dann schauten sie nicht mehr weg.
Diese Frau aber, deren tropfende zerrissene Kleidung ihren zitternden Bauchnabel, ihre breiten Brustwarzen, jeden Fettwulst des Bauches deutlich zeigte, diese Frau schaute ihn an als wäre er ein nichts, ein niemand, ein xbeliebiger Mensch auf der Straße.