Simultan
Nadine sucht Bourriez
Aus Simultan
Seit jenem Freitag im Oktober (jetzt ist schon November, denn die Zeit hält nicht an, nur weil man etwas sucht oder weil man sich Gedanken machen muss, für die man eigentlich keine Zeit hat, weil man arbeiten sollte, um endlich mal dahin zu kommen, weil man immer irgendwo hin kommen muss) geht Nadine viel spazieren. Nicht die Hänge hinauf in den Wald, wie sie es früher gern getan hat, um der Stadt zu enfliehen. Sie wandelt durch die Straßen. Durch die Graue Gasse, die, nur wegen des Namens, an Zürich erinnert, und die dann auf die Kontrollstraße stößt und dann rechts in die Zukunftstraße rein, für eine kontrollierte Zukunft oder eine Zukunftskontrolle. Das sind doch alles nur Worte auf Schildern und in Wörterbüchern. Definitionen sind nicht beständig und keine Zukunft jemals gesichert (da kommt der Archivar in den Sinn, der doch soviel Ordnung in seinem Leben hatte).
Gerne geht sie am Kanal entlang, in dem immer wieder ein Fahrrad liegt, immer wieder ein neues. Wenn es nicht so kalt wäre, wäre sie versucht hinunter zu klettern, um das Fahrrad zu bergen. Sie würde es grün anstreichen, die Bremse neu machen lassen und dann auf dem geborgeenn Fahrad durch die Straßen fahren, durch die sie jetzt läuft.
Am Ende landet sie immer im Odeon, um einen Espresso zu trinken und die Zeitung zu lesen, die um diese Uhrzeit fast schon nicht mehr aktuell ist. Am liebsten sitzt sie an dem Tisch hinten in der Ecke.
Es ist nicht so, dass Nadine Bourriez sucht. Nadine sucht nur jemanden, der nicht Roland ist.
Aber eigentlich kann man die Zeit nur mit Warten verbringen, auf den ersten Schnee oder darauf, dass endlich mal etwas passiert.