Simultan

Schlaflos

Aus Simultan

Wahrscheinlich hat meine Tante nicht unrecht. Ich sollte mehr an meine Zukunft denken. Obwohl; eigentlich denke ich ja ständig an meine Zukunft. Das ist ja gerade das Problem. Das ist ja gerade der Grund, weshalb ich so oft nicht schlafen kann.
Aber soll ich denn machen? Da ist nichts, worin ich besonders gut wäre. Ich lese, ich bloge, schreibe meine komischen Texte und Gedichte, ich fotografiere ein bisschen, ich bin nicht allzu schlecht im Lügen, stehlen kann ich, aber was soll ich anfangen damit? Ich bezweifle, dass es für mein seltsames Profil einen passenden Beruf gibt!

Manchmal frage ich mich, wie es wäre, wenn meine Eltern nicht weg wären. Vielleicht wäre es anders. Besser.
Dann stelle ich mir vor, wir würden in einem Haus wohnen, vielleicht irgendwo am Rande von Biel, vielleicht sogar lieber in Bern. Ich hätte einen Bruder, vielleicht eine Schwester, aber ganz sicher einen Hund. Meine Eltern würden mich unterstützen in all meinen Plänen (die ich zur Zeit zwar nicht kenne, aber egal ...). Obwohl; vielleicht würde ich doch nicht mit meinen Eltern in einem Haus wohnen, sondern ich hätte ein kleine Wohnung, nur für mich. Aber ich würde meine Familie oft besuchen und umgekehrt sie mich auch. Weihnachten und all diese Dinge, würden wir natürlich zusammen verbringen.
Vielleicht wäre dann auch die Sache mit der Klauerei anders. Ich wäre nicht so nervös, weniger angespannt als ich es jetzt manchmal bin, vermutlich. Diese Angst, die mich oftmals so plötzlich überkommt – vielleicht würde die gar nicht existieren.

Es ist schlimm. Wirklich. Gerade heute, als ich mal wieder vor der Kiste mit all den Sachen gestanden habe, wurde es mir bewusst; all das unnütze Zeug. Spielsachen, Sonnenbrillen, Make-up, Zuckerstreuer, Kaffeelöffel, Aschenbecher, Haarklammern, Papier, Schokolade, Toilettenartikel und so weiter ... lauter Krimskrams. Okay; einige Bücher, CDs und DVDs sind noch darunter, ausserdem die Kamera, aber ansonsten – was soll ich damit? Manchmal kommt es mir vor, als wäre in jenen bestimmten Momenten gar nicht ich am Werk, sondern irgendwer anders ... Aber das, das kann leider gar nicht sein, denn genau das ist ja auch so ein Punkt: «Irgendwer anders» ... ich habe niemanden anders. Du musst halt sehen, wie du zurecht kommst, wenn du weiterhin so isoliert durch die Welt stolpern willst, hat meine Tante letztens zu mir gemeint. Dabei weiss ich ja manchmal gar nicht, ob ich das wirklich will – so alleine durch die Welt stolpern – ich weiss nur, dass ich es tue aus irgendeinem Grund.

Fotografin wäre eigentlich ein super Beruf, dann würde ich wenigstens mal ein bisschen was von der Welt sehen, so wie mein Vater, der anscheinend eine Zeitlang ziemlich viel rumgereist ist. Ich will schon lange von hier weg und ich mag es zu fotografieren. Es macht mir Spass, aber ich glaube nicht, dass ich gut genug darin bin um wirklich Fotografin zu werden. Mia aus meiner alten Klasse wird Fotografin und die ist absolut super im fotografieren, aber sogar sie sagt, die Ausbildung sei schwierig. Trotzdem hätte ich nichts dagegen ihr Talent zu haben.
Vielleicht sollte ich ganz einfach Schauspielerin werden. Das war so ein Gedanke, der mir letzthin kam. Natürlich eine Schnappsidee, denn ich habe viel zu wenig Mut, aber .... im Grunde:
Ich würde gerne aus meiner eigenen Haut fahren, in eine andere Rolle hineinschlüpfen, wenn das nur irgendwie möglich wäre.
Ich bin nicht schlecht im Lügen, wieso sollte ich nicht auch gut darin sein etwas vorzuspielen? Und ich glaube, es würde mir leicht fallen Texte zu lernen. Ich lese viel und manchmal, wenn ich im Bus sitze oder durch die Stadt schlendere, erinnere ich mich ganz plötzlich an ganze Passagen, die ich irgendwann mal vor mir hatte. Vielleicht sollte ich wirklich anfangen das zu üben. Vielleicht sollte ich üben Texte zu sprechen, hier in meinem Zimmer, vor dem Spiegel ... Wenn ich den Mut dazu hätte, würde ich irgendeiner Gruppe beitreten ... beim Theater oder so. Aber ich weiss nicht. Und wahrscheinlich würde es sowieso viel zu lange dauern, bis ich wirklich gut genug darin wäre.
Vielleicht sollte ich besser einfach nur die Texte schreiben und sie nicht selber vortragen. Ich könnte Szenen schreiben und jemand anders würde sie dann für mich umsetzen. Beim Schreiben muss man wenigstens nicht vor Leuten sprechen, das ist besser ... Ich müsste einen Filmemacher kennen, vielleicht.