Simultan
Hugos Nachbarin
Aus Simultan
Die weiße Tür der Nachbarwohnung, ihr rotbrauner Rahmen kamen ihm jetzt wie ein gewaltiger Mund vor, mit noch gewaltigeren Lippen, die ihn verspotteten. Wie die Kinder früher beim Feueralarm immer, wenn er sich weigerte, das Klassenzimmer zu verlassen, weil er sich noch nicht sicher war, ob auch wirklich alle Fenster geschlossen waren. Das Feuer durfte doch kein Sauerstoff kriegen, das hatte die Lehrerin doch gesagt. Und dass sie Ruhe bewahren sollten.
Hugo nahm den Schlüssel aus der Tasche, zwei Finger, kein Klimpern, schloss die Tür auf und drückte die Klinke. Er musste einfach wissen, ob er auch wirklich abgeschlossen hatte. Dann stellte er sich vor, wie die neugierige Nachbarin am Spion stehen und ihn beobachten würde, mit dem Zeigefinger zwischen den Zähnen nach Gräten fischend die ganze Zeit ihrer besten Freundin am Telefon davon berichtete, Er macht es schon wieder, ihrer Friseuse und der Bildzeitung, Die Tür, das ist jetzt schon das dritte Mal heute, wie sie sich in einer Konferenzschaltung mit der ganzen Welt über ihn lustig machte. Hugo wurde rot, seine Stirn fing an zu jucken und wie immer, wenn er nervös war, begann er mit dem Daumen der freien Hand seine Fingerspitzen abzutasten, angefangen beim Zeigefinger. Dann auf der Türschwelle pustete er einige Male kräftig Richtung Treppenhaus, in der Hoffnung den Fischgeruch von seiner Wohnung fernhalten zu können, bevor er die Tür hinter sich schloss.