Simultan
Gaeste in Zhytomyr / Fête à Zhytomyr
Aus Simultan
Bei Mutter zu Hause, Zhytomyr - A la maison de la mère, Zhytomyr |
Ich hasse Nescafé, aber ich liebe Mats Essen. Sie hat Freunde eingeladen, ihr Sohn ist da, ein Fest. Der Tisch ist reich gedeckt, ich habe Schweizer Schokolade mitgebracht (die billigste, das merken die eh nicht!), Souvenirkitsch, irgendetwas. Es kommt nur drauf an, zu schenken, egal was. Also sitzen wir zusammen, die ganzen Ivas, Vladimirs, Dimitis, Borjas mit dem Vodka in der Hand, ihre Frauen, alle sind sie laut, alle wollen sie mir irgendetwas erzählen – und all ihre Geschichten klopfe ich aufs Erzählbare ab. Vielleicht erzähle ich ja Borjas Geschichte, die eines jungen Arbeitslosen, dessen Eltern ihn aushalten (wovon eigentlich?), und der manchmal an die Züge schaffen geht. Als ich frage, was das bedeutet: An die Zügen schaffen gehen, antwortet er: Du weißt schon, dann schweigt er. Jemand hebt das Glas: Trinken wir auf die Ukraine, ihre goldenen Felder, die Kornkammer unser. Trinken wir auf unsere Jugend, die unser Land in eine glückliche Zukunft führen wird. Möge dieses Land, möge unser Volk erstrahlen! Ich kippe den Vodka. Meine Hand unter dem Tisch schreibt hässliche Buchstaben, die Fehler häufen sich mit jedem Glas.
Yevor reibt sich mit dem Zeigefinger den Schlaf aus den Augen. – Mat, wann fahren eigentlich die Züge nach Polen? Mat weiß, dass es zu spät ist. Ich würde meine Story finden. Irgendeiner ihrer Bekannten würde meinen Artikel lesen. Ihr schicken. Die ganze Familie, die ganze Stadt wird darüber reden. Warum macht er das? Er, aus seinem scheißreichen Westen, kommt hierher und macht uns das bisschen kaputt, wovon wir noch leben. Was hast du nur mit deinem Jungen gemacht, werden sie Mat fragen. Das tut mir Leid. Aber ich bin Journalist. |
|