Simultan

Kater entlaufen

Aus Simultan

Version vom 15. Oktober 2008, 15:05 Uhr von Nicolek (Diskussion | Beiträge)



Irinas Drucker ratterte nun schon seit einer Stunde und so langsam wurde aus dem zunächst noch arbeitsamen und optimistisch tönenden Geräusch ein verzweifeltes Ächzen. Nein, Irina wollte nichts unversucht lassen. Nie würde sie es sich verzeihen können, wenn ihm etwas zugestoßen wäre. So, wie sie auseinandergegangen waren. Einen Tritt hatte sie ihm gegeben, weil er sie wieder einmal nicht hatte schlafen lassen. Und alles nur wegen diesem kindischen, schleimigen, arrroganten Matteo. In letzter Zeit wusste sie ohnehin nicht, was sie jemals an ihm gefunden hatte. So abwesend und unkonzentriert, wie er in letzter Zeit war. Und seine Arbeit vernachlässigte er auch aufs Sträflichste. Nun ja, es musste wohl die sogenannte Midlife-Crisis gewesen sein. Von Männern wusste man ja, dass sie sich in dieser Phase zur Konservierung ihrer eigenen Jugend junge, dumme Bunnies suchten, und sich, so weit die finanziellen Mittel vorhanden seien, dazu passend noch einen roten Ferarri anschafften. Aber diese Dinge lagen nun hinter ihr und waren angesichts der aktuellen Ereignisse auch unwichtig geworden. Jetzt galt es, um jeden Preis ihren Gefährten wieder zu finden, den einzigen, der ihr im Leben je etwas bedeutet hatte. Irinas alte Willenskraft und Entschlossenheit waren wieder zurückgekehrt. Sie würde nichts unversucht lassen. Nein, mit dieser Schuld würde sie nicht leben können. Als er am Abend nach der unerfreulichen Szene nicht nach Hause gekommen war, hatte sie noch nichts Schlimmes befürchtet. Schließlich hatte er ihr schon öfter die kalte Schulter gezeigt, wenn sie etwas getan hatte, was ihm gegen den Strich seines glänzend gebürsteten Fells gegangen war. Und jeder in der Nachbarschaft wusste, dass er einen gewissen Ruf als Casanova genoss. In der Tat wäre es interessant, die Zahl der von ihm gezeugten Nachfahren zu kennen. Doch als er nach zwei Tagen immer noch nicht zurückgekehrt war, wusste sie, dass irgendetwas geschehen war, das nicht in seiner Macht lag. Wurde er festgehalten? War ihm etwas zugestoßen? Nein, Irina war sich sicher, wenn er nicht mehr am Leben wäre, würde sie es spüren. Und sie war sich sicher zu spüren, dass er noch gegenwärtig war, noch in dieser Welt, vielmehr sogar ganz in ihrer Nähe. Aber sein "Zehn Uhr Abends Leckerchen" würde er sich auf keinen Fall entgehen lassen, nicht länger als einen Tag. Die Flyer waren ihr sehr gut gelungen, sie stachen sofort ins Auge. Sie hatte das schönste Foto von ihm ausgewählt. Überall in der Stadt würde sie sie verteilen, im Laden von Frau Stocker, in ihrem Schaufenster, bei der Bäckerei in der Altstadt, im Café, und überall sonst, wo eine freie Fläche zur Verfügung stehen würde.