Simultan
Die Entführung: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Nach der Sitzung bei Herrn | + | Nach der Sitzung bei Herrn Schmitt war Maus zu ihrer eigenen Überraschung ziemlich in sich selbst versunken. Sie sass im Bus, in der Nähe der Tür, starrte aus dem Fenster und liess die verregnete graue Stadt an sich vorbeiziehen. Obwohl Maus ihre grossen Kopfhörer aufhatte, vernahm sie das Geschrei eines Kindes und das Geschimpfe einer Mutter hinter sich. Sie war genervt. <br>Ruckartig hielt der Bus an der nächsten Station. Die Tür öffnete sich, nur eine einzelne Person stieg zu. Die Frau war mittleren Alters und sehr dick, ihre Kleidung – Umhang und weiter Rock – sah aus wie aus bunten Topflappen zusammengenäht. Auf ihrem Kopf sass eine ebenso befremdende Stoffmütze mit kleinen Spiegeln dran. Ihr Gesicht war stark geschminkt, der Mund war dunkelrot und gross, die Augen schwarz umrandet. Die Unbekannte stieg gemächlich in den Bus, irgendwas vor sich hinnuschelnd, dann sie sah sich um, schritt weiter voran und setzte sich – wie hätte es anders sein können – auf den freien Platz neben Maus. Eine wirklich Verrückte – muss das nun auch noch sein, dachte die nur und rutsche ein Stück weiter zum Fenster. Sie mochte es grundsätzlich nicht, wenn ihr Menschen zu nahe kamen. Die Türen schnappten zu, der Bus setzte sich wieder in Bewegung, im Hintergrund schrien noch immer das Kind und die Mutter. Was war denn heute nur los, was für ein elender Scheisstag! Maus liess sich tiefer in den Sitz sinken.<br>„Sie“, wandte sich die Topflappenfrau nun auf einmal flüsternd an sie. "Wie bitte?" Maus nahm die Kopfhörer ab. „Hören Sie junge Dame, diese Frau da hinter uns und dieses Kind ... da stimmt was nicht. Das ist gar nicht das Kind dieser Frau, das hat die nur entführt.“ Aha. Maus schwieg und staunte.<br><br> |
Version vom 1. Oktober 2010, 09:01 Uhr
Nach der Sitzung bei Herrn Schmitt war Maus zu ihrer eigenen Überraschung ziemlich in sich selbst versunken. Sie sass im Bus, in der Nähe der Tür, starrte aus dem Fenster und liess die verregnete graue Stadt an sich vorbeiziehen. Obwohl Maus ihre grossen Kopfhörer aufhatte, vernahm sie das Geschrei eines Kindes und das Geschimpfe einer Mutter hinter sich. Sie war genervt.
Ruckartig hielt der Bus an der nächsten Station. Die Tür öffnete sich, nur eine einzelne Person stieg zu. Die Frau war mittleren Alters und sehr dick, ihre Kleidung – Umhang und weiter Rock – sah aus wie aus bunten Topflappen zusammengenäht. Auf ihrem Kopf sass eine ebenso befremdende Stoffmütze mit kleinen Spiegeln dran. Ihr Gesicht war stark geschminkt, der Mund war dunkelrot und gross, die Augen schwarz umrandet. Die Unbekannte stieg gemächlich in den Bus, irgendwas vor sich hinnuschelnd, dann sie sah sich um, schritt weiter voran und setzte sich – wie hätte es anders sein können – auf den freien Platz neben Maus. Eine wirklich Verrückte – muss das nun auch noch sein, dachte die nur und rutsche ein Stück weiter zum Fenster. Sie mochte es grundsätzlich nicht, wenn ihr Menschen zu nahe kamen. Die Türen schnappten zu, der Bus setzte sich wieder in Bewegung, im Hintergrund schrien noch immer das Kind und die Mutter. Was war denn heute nur los, was für ein elender Scheisstag! Maus liess sich tiefer in den Sitz sinken.
„Sie“, wandte sich die Topflappenfrau nun auf einmal flüsternd an sie. "Wie bitte?" Maus nahm die Kopfhörer ab. „Hören Sie junge Dame, diese Frau da hinter uns und dieses Kind ... da stimmt was nicht. Das ist gar nicht das Kind dieser Frau, das hat die nur entführt.“ Aha. Maus schwieg und staunte.