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<h1> Samstag, 6. Oktober 2007 </h1>
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<p>Rush-Hour in der kleinen Einkaufsstrasse wie in einer Grossstadt. Menschentrauben bewegen sich wellenartig über Gehsteige, Kopfsteinpflaster, Rolltreppen und Ausstellungsteppiche. Schwärme von zappelnden Wesen bevölkern Einkaufsflächen und öffentliche Plätze. Geräuschwolken steigen aus plappernden Mündern hoch und ziehen durch die Regale, werden hinausgeweht auf die Strasse. Und mitten in diesem organisierten Samstagschaos stehen einige Holzstände mit bedruckten Plastikplanen. Darunter werben freundliche Gesichter mit roten, grünen, blauen oder gelben Ballonen für diese und jene Partei, schenken Kaffee und Kuchen für und gegen Ideen und Programme aus. Handzettel flattern durch die Luft, Gesprächsfetzen bleiben an Ohren hängen, ein Kinderwagen hindert den Durchgang, bildet einen Stau, Ärger, Gestänker. Aber es ist nicht nur der Kinderwagen, der den Durchgang hindert. Weiter vorne steht eine Gruppe von Menschen im Kreis, bildet einen undurchdringbaren Block, mitten drin sitzt ein Mann am Boden und brüllt, wirft den Kopf nach allen Seiten, zappelt und stösst immer wieder irgendwelche unverständliche Laute aus. Dann steht er auf und ruft in klarer Baritonstimme: „Nous sommes des <a href="Mouton">moutons</a> ou quoi? Des moutons, nous? Et qui est le noir en plus, c`est toi, c`est moi&nbsp;? C`est le grand chef lui-même&nbsp;?&nbsp;» Dann zappelt er wieder, was das Zeug hält und schlägt um sich, dass die drängenden Schaulustigen zurückweichen müssen. Der tanzt <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Pogo">Pogo</a> vor den Wahlkampfständen ruft einer. Dann heult bereits die Sirene einer Polzeistreife, dann eine zweite. Dickwanzige Bullen hauen sich einen Weg durch die Menschenmenge und ernten verwerfliche Buhrufe. Der Wilde lässt sich nicht anfassen und schlägt umso wilder um sich. Einer der beiden Polizeibeamten zückt einen Schlagstock, aber sein Kumpel hält ihn zurück. Die Leute werden zu einem grösseren Kreis zurückverwiesen. „He, calme toi!“ ruft der Ordnungsbeamte. Aber der wild gewordene Wahlkampftänzer schreit mit verzerrtem Gesicht zurück: „C`est toi le mouton! C`est toi le noir ici! Regardez, c`est lui le mouton noir!“ Die Masse johlt, klatscht und pfeift. Zu viert stehen die bewaffneten Polizisten nun in dieser Wahlzirkusarena und versuchen des wild gewordene <a href="Bürgertier">Bürgertier</a> zu bändigen. Das jedoch lässt sich nicht anfassen und entwischt wie die <a href="Maus">Maus</a> der <a href="Katze">Katze</a> durch die Menschenmenge hindurch zur nächsten Strassenampel. In fünf flinken Klimmzügen ist der <a href="Revoluzzer">Revoluzzer</a> oben und ruft nun über die Köpfe des begeisterten Publikums. „Yeeh, Jooh!“ rufen die Leute, klatschen und pfeifen so begeistert wie bei einem Rockkonzert. Die Vorstellung hält sich über eine Dreiviertelstunde, die Zeit, die die Parteisektionen brauchen, ihre Stände abzubauen und dem Feuerwehrkran Platz zu machen, der nun zwei harmloser wirkende Beamten zum <a href="Spinner">Spinner</a> hochfährt, damit sie mit ihm ein vernünftiges Besänftigungsgespräch führen. Was aber so wenig nützt wie die Beteuerungen des lokalen Sektionsvorsitzenden der „<a href="http://www.zottel-game.ch/">Schafspartei</a>“, in Zukunft keine schwarze <a href="Schaf">Schafe</a> mehr auf Plakate zu malen. „Ah, c`est toi le mouton noir!“ lacht der Irre, und die Menge johlt.<br /><br /> (Hinweis zur Schafspartei: <a href="http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/schweiz/798057.html">Menschenrechtsliga</a>, Genf)<br />
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Rush-Hour in der kleinen Einkaufsstrasse wie in einer Grossstadt. Menschentrauben bewegen sich wellenartig über Gehsteige, Kopfsteinpflaster, Rolltreppen und Ausstellungsteppiche. Schwärme von zappelnden Wesen bevölkern Einkaufsflächen und öffentliche Plätze. Geräuschwolken steigen aus plappernden Mündern hoch und ziehen durch die Regale, werden hinausgeweht auf die Strasse. Und mitten in diesem organisierten Samstagschaos stehen einige Holzstände mit bedruckten Plastikplanen. Darunter werben freundliche Gesichter mit roten, grünen, blauen oder gelben Ballonen für diese und jene Partei, schenken Kaffee und Kuchen für und gegen Ideen und Programme aus. Handzettel flattern durch die Luft, Gesprächsfetzen bleiben an Ohren hängen, ein Kinderwagen hindert den Durchgang, bildet einen Stau, Ärger, Gestänker. Aber es ist nicht nur der Kinderwagen, der den Durchgang hindert. Weiter vorne steht eine Gruppe von Menschen im Kreis, bildet einen undurchdringbaren Block, mitten drin sitzt ein Mann am Boden und brüllt, wirft den Kopf nach allen Seiten, zappelt und stösst immer wieder irgendwelche unverständliche Laute aus. Dann steht er auf und ruft in klarer Baritonstimme: „Nous sommes des [[Mouton|moutons]] ou quoi? Des moutons, nous? Et qui est le noir en plus, c`est toi, c`est moi&nbsp;? C`est le grand chef lui-même&nbsp;?&nbsp;» Dann zappelt er wieder, was das Zeug hält und schlägt um sich, dass die drängenden Schaulustigen zurückweichen müssen. Der tanzt [http://de.wikipedia.org/wiki/Pogo Pogo] vor den Wahlkampfständen ruft einer. Dann heult bereits die Sirene einer Polzeistreife, dann eine zweite. Dickwanzige Bullen hauen sich einen Weg durch die Menschenmenge und ernten verwerfliche Buhrufe. Der Wilde lässt sich nicht anfassen und schlägt umso wilder um sich. Einer der beiden Polizeibeamten zückt einen Schlagstock, aber sein Kumpel hält ihn zurück. Die Leute werden zu einem grösseren Kreis zurückverwiesen. „He, calme toi!“ ruft der Ordnungsbeamte. Aber der wild gewordene Wahlkampftänzer schreit mit verzerrtem Gesicht zurück: „C`est toi le mouton! C`est toi le noir ici! Regardez, c`est lui le mouton noir!“ Die Masse johlt, klatscht und pfeift. Zu viert stehen die bewaffneten Polizisten nun in dieser Wahlzirkusarena und versuchen des wild gewordene [[Bürgertier]] zu bändigen. Das jedoch lässt sich nicht anfassen und entwischt wie die [[Maus]] der [[Katze]] durch die Menschenmenge hindurch zur nächsten Strassenampel. In fünf flinken Klimmzügen ist der [[Revoluzzer]] oben und ruft nun über die Köpfe des begeisterten Publikums. „Yeeh, Jooh!“ rufen die Leute, klatschen und pfeifen so begeistert wie bei einem Rockkonzert. Die Vorstellung hält sich über eine Dreiviertelstunde, die Zeit, die die Parteisektionen brauchen, ihre Stände abzubauen und dem Feuerwehrkran Platz zu machen, der nun zwei harmloser wirkende Beamte zum [[Spinner]] hochfährt, damit sie mit ihm ein vernünftiges Besänftigungsgespräch führen. Was aber so wenig nützt wie die Beteuerungen des lokalen Sektionsvorsitzenden der „[http://www.zottel-game.ch/ Schafspartei]“, in Zukunft keine schwarze [[Schaf|Schafe]] mehr auf Plakate zu malen. „Ah, c`est toi le mouton noir!“ lacht der Irre, und die Menge johlt.<br><br> (Hinweis zur Schafspartei: [http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/schweiz/798057.html Menschenrechtsliga], Genf)<br>
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Version vom 8. Oktober 2007, 09:09 Uhr

Samstag, 6. Oktober 2007

Rush-Hour in der kleinen Einkaufsstrasse wie in einer Grossstadt. Menschentrauben bewegen sich wellenartig über Gehsteige, Kopfsteinpflaster, Rolltreppen und Ausstellungsteppiche. Schwärme von zappelnden Wesen bevölkern Einkaufsflächen und öffentliche Plätze. Geräuschwolken steigen aus plappernden Mündern hoch und ziehen durch die Regale, werden hinausgeweht auf die Strasse. Und mitten in diesem organisierten Samstagschaos stehen einige Holzstände mit bedruckten Plastikplanen. Darunter werben freundliche Gesichter mit roten, grünen, blauen oder gelben Ballonen für diese und jene Partei, schenken Kaffee und Kuchen für und gegen Ideen und Programme aus. Handzettel flattern durch die Luft, Gesprächsfetzen bleiben an Ohren hängen, ein Kinderwagen hindert den Durchgang, bildet einen Stau, Ärger, Gestänker. Aber es ist nicht nur der Kinderwagen, der den Durchgang hindert. Weiter vorne steht eine Gruppe von Menschen im Kreis, bildet einen undurchdringbaren Block, mitten drin sitzt ein Mann am Boden und brüllt, wirft den Kopf nach allen Seiten, zappelt und stösst immer wieder irgendwelche unverständliche Laute aus. Dann steht er auf und ruft in klarer Baritonstimme: „Nous sommes des moutons ou quoi? Des moutons, nous? Et qui est le noir en plus, c`est toi, c`est moi ? C`est le grand chef lui-même ? » Dann zappelt er wieder, was das Zeug hält und schlägt um sich, dass die drängenden Schaulustigen zurückweichen müssen. Der tanzt Pogo vor den Wahlkampfständen ruft einer. Dann heult bereits die Sirene einer Polzeistreife, dann eine zweite. Dickwanzige Bullen hauen sich einen Weg durch die Menschenmenge und ernten verwerfliche Buhrufe. Der Wilde lässt sich nicht anfassen und schlägt umso wilder um sich. Einer der beiden Polizeibeamten zückt einen Schlagstock, aber sein Kumpel hält ihn zurück. Die Leute werden zu einem grösseren Kreis zurückverwiesen. „He, calme toi!“ ruft der Ordnungsbeamte. Aber der wild gewordene Wahlkampftänzer schreit mit verzerrtem Gesicht zurück: „C`est toi le mouton! C`est toi le noir ici! Regardez, c`est lui le mouton noir!“ Die Masse johlt, klatscht und pfeift. Zu viert stehen die bewaffneten Polizisten nun in dieser Wahlzirkusarena und versuchen des wild gewordene Bürgertier zu bändigen. Das jedoch lässt sich nicht anfassen und entwischt wie die Maus der Katze durch die Menschenmenge hindurch zur nächsten Strassenampel. In fünf flinken Klimmzügen ist der Revoluzzer oben und ruft nun über die Köpfe des begeisterten Publikums. „Yeeh, Jooh!“ rufen die Leute, klatschen und pfeifen so begeistert wie bei einem Rockkonzert. Die Vorstellung hält sich über eine Dreiviertelstunde, die Zeit, die die Parteisektionen brauchen, ihre Stände abzubauen und dem Feuerwehrkran Platz zu machen, der nun zwei harmloser wirkende Beamte zum Spinner hochfährt, damit sie mit ihm ein vernünftiges Besänftigungsgespräch führen. Was aber so wenig nützt wie die Beteuerungen des lokalen Sektionsvorsitzenden der „Schafspartei“, in Zukunft keine schwarze Schafe mehr auf Plakate zu malen. „Ah, c`est toi le mouton noir!“ lacht der Irre, und die Menge johlt.

(Hinweis zur Schafspartei: Menschenrechtsliga, Genf)