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ESPRIT-Kollektion: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 13. Januar 2009, 09:42 Uhr
Früher Morgen. Marianne betrachtet ihr Spiegelbild im Schaufenster der “ModEsteria“. Sie dreht ihren Kopf leicht und sieht im neuen Blickwinkel, wie die Inhaberin Cardigans an hölzerne Kleiderbügeln hängt, den obersten sowie die zwei untersten Knöpfe aus Messing nicht einschlaufend, um die Silhouette nicht zu vergewaltigen.
Marianne hat eben einen Cappuccino getrunken in der Bäckerei gegenüber, den bittersüssen Duft von Kuvertürschokolade noch in der Nase, den kernigen Kaffegeschmack auf der Zunge, das warme Unwohlsein nach dem Verzehr von frischem Brot im Bauch. Gestern ist es spät geworden. Ihr Bruder feierte seinen fünfzigsten Geburtstag und hatte die ehemalige Kaserne sowie einen Cateringservice gemietet. 20 Leute waren geladen, für 25 bestellte er Käse- und Fleischplatten, belegte Brötchen, Gemüse mit Dipsaucen, das ganze Apérosortiment eben und das Dessertbuffet noch dazu. 15 Leute sind gekommen.
Die Türglocke bimmelt, das Geräusch vom Schulhof, von echten Schellen. Die Stunde beginnt. Ester mustert die eingetretene Kundin aus den Augenwinkeln im Wandspiegel, bevor sie sich ihr zuwendet. Marianne trägt die Kleider vom Vorabend: ein langes Sommerkleid, aus hellen Leinen gewoben, sehr schlicht und einfach geschnitten, die Taille zu tailliert, dafür unten weit auslaufend, am rechten Bein aufgeschlitzt, den Rand doppelt umgekrempelt. Was das Kleid unten verhüllt, sollte es oben betonen, im eckigen Ausschnitt blitzt die von Marianne unglücklich gewählte Lingerie hervor, an der sie ständig rumzupft und in der sich die kitzelnden Haarspitzen verfangen. Ihr Haar ist lang und füllig, über ihren Schultern nach aussen gewellt. Es ist rötlich getönt, die dunkelblonde Naturfarbe schimmert am Haaransatz durch. Marianne trägt eine Brille in der Naturfarbe ihres Haares. Die Plateauschuhe sind beige, der hohe Sockel aus Holz. Marianne wirkt gross und massig. Ester wundert sich still über die overdresste Kundin.
„Guete Morge.Was chani für Öich mache?“
„Grüessechwou. Ig suche e Handtäsche… Gsehter die? Die isch mir chli z’gross.“
Mariannes Handtasche sieht aus wie eine Strandtasche, in der ein Sonnenschirm und ein Fussball Platz finden.
Ester schaut ihr in die Augen. Sie liegen tief im Kopf, unterhalb der markigen Augenbrauen. Es sind Augenbrauen, wie sie sonst nur Männer haben, doch in Mariannes Gesicht stören sie nicht. Sie geben dem Gesicht Charakter, wer mit ihr spricht, wünscht, sie möge sie hochziehen und Aufmerksamkeit zeigen.
„Ig hätnech hie e Collection us üsem Italie. E befründete Designer…“
Ester liebkost die weisse Ledertasche, die Finger gekrümmt, damit ihre prunkigen Ringe das Leder nicht zerkratzen.
Marianne steht neben ihr und lässt ihren Blick gedankenverloren über die Handtaschenauslage schweifen.
„Heit dir öppis weniger heikus? Gad itz ufe Winter hii...“ Es ist Herbst. Marianne kleidet sich nach dem Baum vor ihrem Fenster, den Farben der Natur. Weiss im Winter. Nein, das war einmal.
Eine weitere Kundin betritt den Laden. Ohne zu grüssen, wühlt sie in den frisch geordneten Cardigans herum. „Entschoudiget mi es Momentli.“ Ester wendet sich der neuen Kundin zu, Marianne spitzt die Ohren, hört nur Gemurmel. Ester kommt zurück.
„So. Heit dir e Uswau troffe?“
„Nei, no gad nid.“
Trotzdem bleibt Ester nahe bei Marianne stehen: „Darf Ig Öich frage, wo Dir das Chleid kouft heit?“
„Im Esprit-Laden…“
„Hmm.“
„Gäued, s‘isch schön? Esprit het so viu schöni Sache… Abr das wüsset Dir ja sicher o!“
„Ja, sicher!“
„Heit dir e Uswau troffe?“
Marianne greift willkürlich nach einer brombeeren Tasche, gross wie eine Migros-Papiertüte und aus ähnlich kraschelndem Stoff. „Ig nim gloub die.“
Lachen. Lächeln. „Gärn. De gö mir doch zu Kasse?“
Aus ihrem Strandbag kramt Marianne ihren schicken, weissen Geldbeutel hervor.
„444 Franke.“
Marianne bezahlt die neue Tasche und verstaut die alte darin.