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Volodymyr liebt Detailpläne / L'admirant de plans de détails: Unterschied zwischen den Versionen

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Betriebsleitzentrale, Jagodin:<br>Es ist Nacht, auf dem ukrainischen Eisenbahnenetz geht nicht viel. Der Betriebsleiter Volodymyr Bartosh hat drei Züge auf seinem Schirm. <br>
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Volodymyr ist Betriebsleiter der überregionalen Steuerzentrale der Ukrsalisnyzja; er lebt in Jagodin nah der polnischen Grenze. Seit Jahren arbeitet er im Stellwerk der Lwiwsk Salinyzja, es ist eine gute, einfache Arbeit. Anfang der Woche bezieht Volodymyr den regulären Steuerungsplan, mit den eingesetzten Sonderzügen, den Umleitungen auf den Baustellen, der ganze Kram. Volodymyr liebt die Detailpläne, sie machen sein Leben so einfach, und manchmal denkt er, es wäre gut, für alles solch detaillierte Pläne zu haben wie für die Eisenbahn; die ganze Welt auf dem Monitor, und überall blinken und leuchten die Lämpchen, und wenn etwas nicht zufriedenstellend funktioniert, dann lässt sich das Problem beheben, und schon surrt wieder alles nach Wunsch.
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Donnerstags liegt in der obersten Schublade seines vollgestopften kleinen Pults jeweils das Mäppchen mit den Spezialanweisungen, so nennt er die. Die Rhythmen gleichen sich, die Angaben sind meist gut in die Pufferzonen einzubringen; sicher dann, wenn sonst alles läuft, wie es soll. Die vorprogrammierten Störungen? Es interessiert ihn nicht, was während diesen Störungen, die er nicht an die Zentralstelle der Ukrslisnyzja weiter zu leiten hat, die in keinem Rapport zu lesen sein werden -- es interessiert ihn nicht sehr, was in diesen Minuten wohl geschieht; diese Viertelstunden haben nie stattgefunden, nicht auf Papier, nicht in seinem Beamtenkopf. Er ist nur daran interessiert, dass der Zug genug Fahrt gewinnt auf den langen Strecken dazwischen; die Verspätungen sollen allzu gross nicht sein, aber sonst?
  
01:00 Uhr:<br>Einer der grünen Punkte bleibt stehen. Volodymyr wartet ab. es könnte ein technisches Problem sein. Kein Funkruf ging ein. Der Punkt bewegt sich weiterhin nicht. Nach 5 Minuten Warten zieht er die Mütze aus. Pause. Einen Tee machen. Der Samowar ist noch halb voll. Er füllt sich seine grosse Tasse – es dampft, seine eckige Horn-Brille beschlägt sich. Er setzt sich auf den schwarzen Ledersessel; unnötig zu erwähnen, dass er aus Kunstleder ist. Sein runder Bauch stösst an die Pultkante. Er spührt es kaum. Er lehnt zurück – dem Klischee gemäss würde er sich jetzt durch den Schnauz streichen. -<br>Er streicht sich durch den Schnauz, einige Teetropfen haben sich darin verfangen. Der Tee dampft. Er rührt mit dem Löffelchen den Zucker unter. Die Teekrümel werden aufgewirbelt. Zuerst sind die Zuckerkörner noch erkennbar, dann haben sie sich aufgelöst. Er nimmt einen Schluck, verbrennt sich leicht die Zunge. Der Dampf beschlägt seine grosse Brille. Er schaut auf die Uhr und setzt seine Bähnlermütze exakt 13 Minuten später wieder auf. Zurück im Dienst! Er dreht seinen Sessel Richtung Schaltpult, steht auf. Zwei, drei träge Schritte in der dunklen Nacht, durch die warmgelb erleuchtete Leitzentrale. Ein schüchterner Blick auf den Schirm. Der grüne Punkt steht noch still. Schon möchte er sich wieder abwenden. Ein Blick auf die Uhr bestätigt: 01:18 Uhr längst vorbei. Er schaut zum schwarzen Telefon, wartet.<br>
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Sein Gewissen ist rein! Er weiss von nichts, er weiss nur: wenn er die vorausgesagten Störungen im Logbuch nicht meldet, wird sich bei ihm dafür die Putzfrau melden, sie wird die frisch gewaschene Uniform bereitlegen und in der Brusttasche wird sein Couvert liegen.
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Yulia freut sich über seinen ordentlichen Verdienst, (es ist übrigens mehr, als der Schwager nach Hause bringt), und das ist die Hauptsache.
  
01:22 Uhr:<br>Der Punkt bewegt sich wieder. Alles gut. Volodymyr brummelt vor sich hin. Er freut sich aufs morgige Couvert.<br>
 
  
  
Centrale de contrôle ferroviaire, Jagodin.
 
  
C'est la nuit et à la centrale de contrôle ferroviaire ukrainienne il ne se passe rien. Volodymyr Bartosh, le contrôleur en chef voit trois trains sur l'écran principal.
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  (sechs regionale Eisenbahngesellschaften), grenzübergang Polen(?): Lwiwska Salisnyzja, Sitz in Lwiw
 
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Logbuch von Hand verfasst? Nicht alles automatisch gesteuert?
01:00: Un des points verts sur l'écran ne bouge plus. Volodymyr regarde et attend. Peut-être est-ce un problème technique. Pas de signal sur la radio non plus. Le point ne se déplace toujours pas. Après cinq minutes d'attente Volodymyr enlève son beret. Il se prépare un thé. La bouilloire s'agite. Il se sert une grande tasse fumante, met ses lunettes. Il s'assied sur le fauteuil en cuir noir, digne d'une oeuvre artistique. Le pupitre s'enfonce dans son ventre rond, mais il le perçoit à peine. Il s'accoude à la chaise. Il fait froid, son nez coule, il se mouche. Il boit une gorgée, quelques gouttes lui tombent dessus. Il ne s'en rend pas compte. Le thé fume toujours. Avec une cuillère, il y ajoute un peu de sucre, des petits carrés, qu'il aperçoit au départ et qui fondent lentement ensuite. Encore une gorgée. La buée s'empare du verre sur ses lunettes. Finalement après 13 minutes de pause il enfile de nouveau son beret. De retour au boulot! Il replace son fauteuil en direction de l'écran de contrôle. Le point vert n'a toujours pas bougé. Il regarde sa montre, 01:18. Il regarde le téléphone noir, attend, mais il ne se passe rien.
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01:22: Le point vert se déplace de nouveau, enfin. Tout va bien.
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Version vom 11. November 2011, 11:49 Uhr

Volodymyr ist Betriebsleiter der überregionalen Steuerzentrale der Ukrsalisnyzja; er lebt in Jagodin nah der polnischen Grenze. Seit Jahren arbeitet er im Stellwerk der Lwiwsk Salinyzja, es ist eine gute, einfache Arbeit. Anfang der Woche bezieht Volodymyr den regulären Steuerungsplan, mit den eingesetzten Sonderzügen, den Umleitungen auf den Baustellen, der ganze Kram. Volodymyr liebt die Detailpläne, sie machen sein Leben so einfach, und manchmal denkt er, es wäre gut, für alles solch detaillierte Pläne zu haben wie für die Eisenbahn; die ganze Welt auf dem Monitor, und überall blinken und leuchten die Lämpchen, und wenn etwas nicht zufriedenstellend funktioniert, dann lässt sich das Problem beheben, und schon surrt wieder alles nach Wunsch. Donnerstags liegt in der obersten Schublade seines vollgestopften kleinen Pults jeweils das Mäppchen mit den Spezialanweisungen, so nennt er die. Die Rhythmen gleichen sich, die Angaben sind meist gut in die Pufferzonen einzubringen; sicher dann, wenn sonst alles läuft, wie es soll. Die vorprogrammierten Störungen? Es interessiert ihn nicht, was während diesen Störungen, die er nicht an die Zentralstelle der Ukrslisnyzja weiter zu leiten hat, die in keinem Rapport zu lesen sein werden -- es interessiert ihn nicht sehr, was in diesen Minuten wohl geschieht; diese Viertelstunden haben nie stattgefunden, nicht auf Papier, nicht in seinem Beamtenkopf. Er ist nur daran interessiert, dass der Zug genug Fahrt gewinnt auf den langen Strecken dazwischen; die Verspätungen sollen allzu gross nicht sein, aber sonst?

Sein Gewissen ist rein! Er weiss von nichts, er weiss nur: wenn er die vorausgesagten Störungen im Logbuch nicht meldet, wird sich bei ihm dafür die Putzfrau melden, sie wird die frisch gewaschene Uniform bereitlegen und in der Brusttasche wird sein Couvert liegen. Yulia freut sich über seinen ordentlichen Verdienst, (es ist übrigens mehr, als der Schwager nach Hause bringt), und das ist die Hauptsache.



(sechs regionale Eisenbahngesellschaften), grenzübergang Polen(?): Lwiwska Salisnyzja, Sitz in Lwiw

Logbuch von Hand verfasst? Nicht alles automatisch gesteuert?