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In der Therapie: Unterschied zwischen den Versionen

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Sie sitzen im Kreis. Der Raum sieht aus wie ein Schulzimmer. An den Wänden hängen dilletantisch gemalte Bilder. Die Stühle, auf denen sie sitzen, sind aus Holz. Auf dem Fensterbrett stehen ein paar halb verkümmerte Topfpflanzen, anspruchslose Organismen eigentlich. Auf einem Flipchart sind Notizen einer früheren Sitzung zu sehen.<br>"Ich begrüsse euch ganz herzlich zur heutigen Sitzung", sagt der Therapeut, während er in die Runde blickt. Er hat gekräuseltes grau-weisses Haar, das sich auf dem Kopf oben lichtet, und er trägt einen langen weissen Bart sowie einen Schnauz, der langsam über seine Oberlippe wächst. Im Kreis sitzen Hugo, Ester Schneiter, Mar, Marianne, Irina Trepkowitz und Daisy. Es ist Dienstmorgen, zehn Uhr. "Dann erzählt doch mal, wie es euch in den letzten Wochen gegangen ist. Hugo, fängst du bitte an?"<br>Hugo räuspert sich und setzt sich senkrecht in seinen Stuhl. Er schaut nervös in die Gesichter der anderen. "Also... Wenn ich ehrlich bin, nicht anders als in den Wochen davor...“<br>„Was heisst das konkret?“, fragt der Therapeut. „Wir müssen konkret sein, sonst bringt es nichts...“<br>„Ich hatte wieder das Problem mit der Türe... Ich musste immer wieder kontrollieren, dass sie zu war... Ich konnte nicht glauben, dass sie wirklich zu war...“<br>„Aha.“ Der Therapeut nickt. Die anderen hören aufmerksam zu. „Und wie hast du dich dann jeweils aus dieser Situation befreit?“<br>„Indem meistens jemand dabei war, Frauke zum Beispiel, die mir gesagt hat, ich solle endlich kommen.“<br>„Alleine hättest du es also nicht geschafft...“<br>„Nein. Ich glaube nicht... Und ich hatte noch andere Probleme mit Türen...“<br>Der Therapeut wollte sich schon zur nächsten Person wenden, schaut jetzt aber wieder Hugo an. „Welche denn?“<br>„Es geht um elektrische Schiebetüren... Sie machen mir Angst.“<br>Der Therapeut notiert etwas auf seinem Notizblock, nickt ein paar Mal, sagt leise vor sich hin „Ja, ja, ja“ und schaut dann wieder auf. „Ester Schneiter, darf ich Sie bitten?“<br>„Also gut... Mir ist es in der Zwischenzeit mal besser, mal schlechter gegangen... Ich verdaue immer noch das Schreiben von Esprit, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich keine Kollektionen mehr erhalten werde...“<br>„Einspruch!“, sagt Irina Trepkowitz. „Ich dachte, wir dürfen keine persönlichen Konflikte hier drinnen austragen?“<br>„Ja, das stimmt. Aber wenn es Ester Schneiter beschäftigt, muss es hier Platz haben“, sagt der Therapeut. „Bitte, fahren Sie fort, Ester Schneiter.“<br>„Ich muss jetzt halt schauen, wie ich überleben kann...“<br>„Und was machen Sie, damit es Ihnen besser geht?“<br>„Ich geniesse meine Freizeit mit meinem Mann. Wir gehen essen oder ins Kino oder spazieren... Da kann ich richtig abschalten.“<br>„Sehr gut.“ Der Therapeut hat wieder mit seinem unablässigen Nicken angefangen. „Dann machen wir jetzt fünf Minuten Pause. Sie können ein Glas Wasser trinken, und die Nikotinabhängigen können vor die Tür gehen.“<br>Mar geht hinter Daisy aus dem Therapieraum heraus. „Na, Daisy, alles klar?“<br>„Du rauchst auch?“, fragt Daisy. „Ich darf eben bei mir in der Wohnung nicht rauchen.“<br>„Und in meinem Haus sind Tiere verboten, theoretisch.“<br>„Wie meinst du das, in deinem Haus?“, fragt Daisy.<br>„Ich habe ein Haus von meinem Grossonkel geerbt. Dort drin wohne ich jetzt und vermiete die anderen Wohnungen.“<br>Mar und Daisy stehen draussen vor dem Gebäude. Ein eisiger Wind weht an der grauen Betonfassade entlang. Ein kleiner Platz, wie ein Schulhof, liegt vor dem Haus. Einige Parkplätze befinden sich auf der gegenüber liegenden Seite des Platzes, auf ihm stehen fünf rote Autos. Sie sind von der Stadt. Auf ihren Seiten steht etwas geschrieben. Mar macht einen Schritt nach vorne, um zu sehen, was dort steht. „Ich fahre ökologisch. Ihre Stadtverwaltung“. Ein einzelnes Kind geht über den Platz. Es trägt einen grossen Schulranzen und eine bunte Jacke. Es geht eine Treppe hinunter, an deren Ende sich die Schulzahnklinik befindet.<br>„Meinst du, hier ist immer so wenig los?“, fragt Mar.<br>„Keine Ahnung. Ich bin die Grossstadt gewohnt. Viel mehr Leute.“<br>„Wieso Grossstadt?“<br>„Ich habe vorher in London gewohnt.“<br>„Ach so. Und was hat dich hier her gebracht?“<br>„Die Liebe. Ich habe mich verliebt.“<br>„In einen Mann?“, fragt Mar neugierig.<br>„Nein.“<br>„In eine Frau?“<br>„Nein, bestimmt nicht. In eine Wohnung. Es ist eine Dachwohnung am Stadtrand. Mit Dachfenstern, durch die ich den Nachthimmel anschauen kann. Und einem riesigen Bad und einer kleinen Galerie über dem Wohnzimmer. Sie ist ein absoluter Traum, die Wohnung!“<br>„Klingt wirklich nicht schlecht. Das würde ich mir gerne einmal anschauen...“ Mar grinst.<br>„Wenn du willst, kannst du nach der Sitzung mitkommen und sie dir anschauen. Ich muss allerdings sagen, dass ich schon eine ganze Weile nicht mehr geputzt habe.“<br>„Das macht nichts. Ich komme gerne.“<br>Mar zieht an ihrer Zigarette und drückt sie in dem kleinen Aschenbecher neben der Tür aus. [[Die Ente und die Würmer|Daisy nimmt einen letzten Zug und lässt die Kippe auf den Boden fallen.]]<br>„Heisst du deshalb Daisy?“ Mar zieht an der Glastüre, so dass sich diese öffnet, und betritt vor Daisy das Gebäude.<br>„Nein. Den Namen habe ich seit meiner Kindheit.“  
 
Sie sitzen im Kreis. Der Raum sieht aus wie ein Schulzimmer. An den Wänden hängen dilletantisch gemalte Bilder. Die Stühle, auf denen sie sitzen, sind aus Holz. Auf dem Fensterbrett stehen ein paar halb verkümmerte Topfpflanzen, anspruchslose Organismen eigentlich. Auf einem Flipchart sind Notizen einer früheren Sitzung zu sehen.<br>"Ich begrüsse euch ganz herzlich zur heutigen Sitzung", sagt der Therapeut, während er in die Runde blickt. Er hat gekräuseltes grau-weisses Haar, das sich auf dem Kopf oben lichtet, und er trägt einen langen weissen Bart sowie einen Schnauz, der langsam über seine Oberlippe wächst. Im Kreis sitzen Hugo, Ester Schneiter, Mar, Marianne, Irina Trepkowitz und Daisy. Es ist Dienstmorgen, zehn Uhr. "Dann erzählt doch mal, wie es euch in den letzten Wochen gegangen ist. Hugo, fängst du bitte an?"<br>Hugo räuspert sich und setzt sich senkrecht in seinen Stuhl. Er schaut nervös in die Gesichter der anderen. "Also... Wenn ich ehrlich bin, nicht anders als in den Wochen davor...“<br>„Was heisst das konkret?“, fragt der Therapeut. „Wir müssen konkret sein, sonst bringt es nichts...“<br>„Ich hatte wieder das Problem mit der Türe... Ich musste immer wieder kontrollieren, dass sie zu war... Ich konnte nicht glauben, dass sie wirklich zu war...“<br>„Aha.“ Der Therapeut nickt. Die anderen hören aufmerksam zu. „Und wie hast du dich dann jeweils aus dieser Situation befreit?“<br>„Indem meistens jemand dabei war, Frauke zum Beispiel, die mir gesagt hat, ich solle endlich kommen.“<br>„Alleine hättest du es also nicht geschafft...“<br>„Nein. Ich glaube nicht... Und ich hatte noch andere Probleme mit Türen...“<br>Der Therapeut wollte sich schon zur nächsten Person wenden, schaut jetzt aber wieder Hugo an. „Welche denn?“<br>„Es geht um elektrische Schiebetüren... Sie machen mir Angst.“<br>Der Therapeut notiert etwas auf seinem Notizblock, nickt ein paar Mal, sagt leise vor sich hin „Ja, ja, ja“ und schaut dann wieder auf. „Ester Schneiter, darf ich Sie bitten?“<br>„Also gut... Mir ist es in der Zwischenzeit mal besser, mal schlechter gegangen... Ich verdaue immer noch das Schreiben von Esprit, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich keine Kollektionen mehr erhalten werde...“<br>„Einspruch!“, sagt Irina Trepkowitz. „Ich dachte, wir dürfen keine persönlichen Konflikte hier drinnen austragen?“<br>„Ja, das stimmt. Aber wenn es Ester Schneiter beschäftigt, muss es hier Platz haben“, sagt der Therapeut. „Bitte, fahren Sie fort, Ester Schneiter.“<br>„Ich muss jetzt halt schauen, wie ich überleben kann...“<br>„Und was machen Sie, damit es Ihnen besser geht?“<br>„Ich geniesse meine Freizeit mit meinem Mann. Wir gehen essen oder ins Kino oder spazieren... Da kann ich richtig abschalten.“<br>„Sehr gut.“ Der Therapeut hat wieder mit seinem unablässigen Nicken angefangen. „Dann machen wir jetzt fünf Minuten Pause. Sie können ein Glas Wasser trinken, und die Nikotinabhängigen können vor die Tür gehen.“<br>Mar geht hinter Daisy aus dem Therapieraum heraus. „Na, Daisy, alles klar?“<br>„Du rauchst auch?“, fragt Daisy. „Ich darf eben bei mir in der Wohnung nicht rauchen.“<br>„Und in meinem Haus sind Tiere verboten, theoretisch.“<br>„Wie meinst du das, in deinem Haus?“, fragt Daisy.<br>„Ich habe ein Haus von meinem Grossonkel geerbt. Dort drin wohne ich jetzt und vermiete die anderen Wohnungen.“<br>Mar und Daisy stehen draussen vor dem Gebäude. Ein eisiger Wind weht an der grauen Betonfassade entlang. Ein kleiner Platz, wie ein Schulhof, liegt vor dem Haus. Einige Parkplätze befinden sich auf der gegenüber liegenden Seite des Platzes, auf ihm stehen fünf rote Autos. Sie sind von der Stadt. Auf ihren Seiten steht etwas geschrieben. Mar macht einen Schritt nach vorne, um zu sehen, was dort steht. „Ich fahre ökologisch. Ihre Stadtverwaltung“. Ein einzelnes Kind geht über den Platz. Es trägt einen grossen Schulranzen und eine bunte Jacke. Es geht eine Treppe hinunter, an deren Ende sich die Schulzahnklinik befindet.<br>„Meinst du, hier ist immer so wenig los?“, fragt Mar.<br>„Keine Ahnung. Ich bin die Grossstadt gewohnt. Viel mehr Leute.“<br>„Wieso Grossstadt?“<br>„Ich habe vorher in London gewohnt.“<br>„Ach so. Und was hat dich hier her gebracht?“<br>„Die Liebe. Ich habe mich verliebt.“<br>„In einen Mann?“, fragt Mar neugierig.<br>„Nein.“<br>„In eine Frau?“<br>„Nein, bestimmt nicht. In eine Wohnung. Es ist eine Dachwohnung am Stadtrand. Mit Dachfenstern, durch die ich den Nachthimmel anschauen kann. Und einem riesigen Bad und einer kleinen Galerie über dem Wohnzimmer. Sie ist ein absoluter Traum, die Wohnung!“<br>„Klingt wirklich nicht schlecht. Das würde ich mir gerne einmal anschauen...“ Mar grinst.<br>„Wenn du willst, kannst du nach der Sitzung mitkommen und sie dir anschauen. Ich muss allerdings sagen, dass ich schon eine ganze Weile nicht mehr geputzt habe.“<br>„Das macht nichts. Ich komme gerne.“<br>Mar zieht an ihrer Zigarette und drückt sie in dem kleinen Aschenbecher neben der Tür aus. [[Die Ente und die Würmer|Daisy nimmt einen letzten Zug und lässt die Kippe auf den Boden fallen.]]<br>„Heisst du deshalb Daisy?“ Mar zieht an der Glastüre, so dass sich diese öffnet, und betritt vor Daisy das Gebäude.<br>„Nein. Den Namen habe ich seit meiner Kindheit.“  
  
Sie betreten wieder den Therapieraum.<br>„So, dann machen wir mit Marianne weiter.“<br>„Ich habe zum Glück meine Fische“, sagt Marianne mit zitternder Stimme. „Ich wüsste nicht, was ich ohne sie machen würde.“<br>„Und wie läuft es mit Ihrem Mann?“<br>„Ich weiss nicht... Ich werde den Verdacht nicht los, dass er etwas anderes hat.“<br>„Sie denken also, er betrügt sie. Und wie könnten Sie damit umgehen?“<br>„Ich könnte ihn darauf ansprechen.“
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Sie betreten wieder den Therapieraum.<br>„So, dann machen wir mit Marianne weiter.“<br>„Ich habe zum Glück meine Fische“, sagt Marianne mit zitternder Stimme. „Ich wüsste nicht, was ich ohne sie machen würde.“<br>„Und wie läuft es mit Ihrem Mann?“<br>„Ich weiss nicht... Ich werde den Verdacht nicht los, dass er etwas anderes hat.“<br>„Sie denken also, er betrügt sie. Und wie könnten Sie damit umgehen?“<br>„Ich könnte ihn darauf ansprechen.“  
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[[Category: Marianne|Marianne]]

Version vom 12. Dezember 2008, 13:01 Uhr

Sie sitzen im Kreis. Der Raum sieht aus wie ein Schulzimmer. An den Wänden hängen dilletantisch gemalte Bilder. Die Stühle, auf denen sie sitzen, sind aus Holz. Auf dem Fensterbrett stehen ein paar halb verkümmerte Topfpflanzen, anspruchslose Organismen eigentlich. Auf einem Flipchart sind Notizen einer früheren Sitzung zu sehen.
"Ich begrüsse euch ganz herzlich zur heutigen Sitzung", sagt der Therapeut, während er in die Runde blickt. Er hat gekräuseltes grau-weisses Haar, das sich auf dem Kopf oben lichtet, und er trägt einen langen weissen Bart sowie einen Schnauz, der langsam über seine Oberlippe wächst. Im Kreis sitzen Hugo, Ester Schneiter, Mar, Marianne, Irina Trepkowitz und Daisy. Es ist Dienstmorgen, zehn Uhr. "Dann erzählt doch mal, wie es euch in den letzten Wochen gegangen ist. Hugo, fängst du bitte an?"
Hugo räuspert sich und setzt sich senkrecht in seinen Stuhl. Er schaut nervös in die Gesichter der anderen. "Also... Wenn ich ehrlich bin, nicht anders als in den Wochen davor...“
„Was heisst das konkret?“, fragt der Therapeut. „Wir müssen konkret sein, sonst bringt es nichts...“
„Ich hatte wieder das Problem mit der Türe... Ich musste immer wieder kontrollieren, dass sie zu war... Ich konnte nicht glauben, dass sie wirklich zu war...“
„Aha.“ Der Therapeut nickt. Die anderen hören aufmerksam zu. „Und wie hast du dich dann jeweils aus dieser Situation befreit?“
„Indem meistens jemand dabei war, Frauke zum Beispiel, die mir gesagt hat, ich solle endlich kommen.“
„Alleine hättest du es also nicht geschafft...“
„Nein. Ich glaube nicht... Und ich hatte noch andere Probleme mit Türen...“
Der Therapeut wollte sich schon zur nächsten Person wenden, schaut jetzt aber wieder Hugo an. „Welche denn?“
„Es geht um elektrische Schiebetüren... Sie machen mir Angst.“
Der Therapeut notiert etwas auf seinem Notizblock, nickt ein paar Mal, sagt leise vor sich hin „Ja, ja, ja“ und schaut dann wieder auf. „Ester Schneiter, darf ich Sie bitten?“
„Also gut... Mir ist es in der Zwischenzeit mal besser, mal schlechter gegangen... Ich verdaue immer noch das Schreiben von Esprit, in dem mir mitgeteilt wurde, dass ich keine Kollektionen mehr erhalten werde...“
„Einspruch!“, sagt Irina Trepkowitz. „Ich dachte, wir dürfen keine persönlichen Konflikte hier drinnen austragen?“
„Ja, das stimmt. Aber wenn es Ester Schneiter beschäftigt, muss es hier Platz haben“, sagt der Therapeut. „Bitte, fahren Sie fort, Ester Schneiter.“
„Ich muss jetzt halt schauen, wie ich überleben kann...“
„Und was machen Sie, damit es Ihnen besser geht?“
„Ich geniesse meine Freizeit mit meinem Mann. Wir gehen essen oder ins Kino oder spazieren... Da kann ich richtig abschalten.“
„Sehr gut.“ Der Therapeut hat wieder mit seinem unablässigen Nicken angefangen. „Dann machen wir jetzt fünf Minuten Pause. Sie können ein Glas Wasser trinken, und die Nikotinabhängigen können vor die Tür gehen.“
Mar geht hinter Daisy aus dem Therapieraum heraus. „Na, Daisy, alles klar?“
„Du rauchst auch?“, fragt Daisy. „Ich darf eben bei mir in der Wohnung nicht rauchen.“
„Und in meinem Haus sind Tiere verboten, theoretisch.“
„Wie meinst du das, in deinem Haus?“, fragt Daisy.
„Ich habe ein Haus von meinem Grossonkel geerbt. Dort drin wohne ich jetzt und vermiete die anderen Wohnungen.“
Mar und Daisy stehen draussen vor dem Gebäude. Ein eisiger Wind weht an der grauen Betonfassade entlang. Ein kleiner Platz, wie ein Schulhof, liegt vor dem Haus. Einige Parkplätze befinden sich auf der gegenüber liegenden Seite des Platzes, auf ihm stehen fünf rote Autos. Sie sind von der Stadt. Auf ihren Seiten steht etwas geschrieben. Mar macht einen Schritt nach vorne, um zu sehen, was dort steht. „Ich fahre ökologisch. Ihre Stadtverwaltung“. Ein einzelnes Kind geht über den Platz. Es trägt einen grossen Schulranzen und eine bunte Jacke. Es geht eine Treppe hinunter, an deren Ende sich die Schulzahnklinik befindet.
„Meinst du, hier ist immer so wenig los?“, fragt Mar.
„Keine Ahnung. Ich bin die Grossstadt gewohnt. Viel mehr Leute.“
„Wieso Grossstadt?“
„Ich habe vorher in London gewohnt.“
„Ach so. Und was hat dich hier her gebracht?“
„Die Liebe. Ich habe mich verliebt.“
„In einen Mann?“, fragt Mar neugierig.
„Nein.“
„In eine Frau?“
„Nein, bestimmt nicht. In eine Wohnung. Es ist eine Dachwohnung am Stadtrand. Mit Dachfenstern, durch die ich den Nachthimmel anschauen kann. Und einem riesigen Bad und einer kleinen Galerie über dem Wohnzimmer. Sie ist ein absoluter Traum, die Wohnung!“
„Klingt wirklich nicht schlecht. Das würde ich mir gerne einmal anschauen...“ Mar grinst.
„Wenn du willst, kannst du nach der Sitzung mitkommen und sie dir anschauen. Ich muss allerdings sagen, dass ich schon eine ganze Weile nicht mehr geputzt habe.“
„Das macht nichts. Ich komme gerne.“
Mar zieht an ihrer Zigarette und drückt sie in dem kleinen Aschenbecher neben der Tür aus. Daisy nimmt einen letzten Zug und lässt die Kippe auf den Boden fallen.
„Heisst du deshalb Daisy?“ Mar zieht an der Glastüre, so dass sich diese öffnet, und betritt vor Daisy das Gebäude.
„Nein. Den Namen habe ich seit meiner Kindheit.“

Sie betreten wieder den Therapieraum.
„So, dann machen wir mit Marianne weiter.“
„Ich habe zum Glück meine Fische“, sagt Marianne mit zitternder Stimme. „Ich wüsste nicht, was ich ohne sie machen würde.“
„Und wie läuft es mit Ihrem Mann?“
„Ich weiss nicht... Ich werde den Verdacht nicht los, dass er etwas anderes hat.“
„Sie denken also, er betrügt sie. Und wie könnten Sie damit umgehen?“
„Ich könnte ihn darauf ansprechen.“