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Ein dumpfes Geräusch und Hugo ging dahin, wo es hergekommen war. Er ging zum Fenster. Etwas war von außen gegen die Scheibe geflogen. Eine klare geleeartige Substanz war zu sehen, fingernagelgroß, schlierte und klebte und versperrte ihm die Sicht. Und etwas schwarzes dünnes längliches stach daraus hervor. Ein Insektenbein, dachte Hugo, oder ein Fühler. <br>Hugo holte einen Lappen. Die Sonne schien und räkelte sich auf einer Wolke. Das gefiel ihm nicht, das animierte die Leute nur wieder alles draußen zu machen. Eine Frau auf dem Balkon gegenüber am Sonnen, Sonnenbrille und Bikini. Nein, das wollte er nicht sehen. Er versuchte sich auf den Fleck zu konzentrieren. Der Fleck war hartnäckig, Hugo musste in die Küche und den Lappen anfeuchten. Schon besser. <br>Auf dem Bürgersteig unter dem Balkon mit der Frau sah er zwei Jungen. Sie hatten ihre Fahrräder umgedreht, auf den Lenker. Putzten die Speichen. Ölten die Kette und flickten den Vorderreifen. Das eine Fahrrad schien ihn mit seinem zyklopischen Auge anzusehen. Es sah ihn an und sah ihn an und hörte gar nicht mehr auf, ihn anzusehen. Es sah ihn mit Augen an, die zu sagen schienen: Ich weiß, was du getan hast. <br>Es weiß bescheid, dachte Hugo, alle Fahrräder wissen bescheid. Und dachte dabei an Poe, das verräterische Herz. Wohnzimmer, erstes Regal, oben links bei den Kurzgeschichten. Hugo hatte lange nicht daran gedacht. Damals war er acht oder neun gewesen und Frauke zwei Jahre jünger gerade dabei, dass Fahrradfahren zu lernen. Er selbst hatte es gehasst. Der unkontrollierbare Lenker, die Höhe und das seine Füße den Boden nicht berührten. Fahrradfahren war für Hugo wie für andere Kinder Brokkoliessen. Und das hatte er seinem Vater auch gesagt und dann musste er auch nicht mehr. <br>Aber Frauke. Sturz um Sturz, die vielen Schürfwunden am Knie, Eiter, die Kruste, sie ekelte ihn an und tat ihm leid zugleich, der viele Schweiß und die fettigen Haare unter dem Helm. Hugo hatte ihr nur helfen wollen. Schlich als alle beim Abendessen waren, er hatte keinen Hunger, hatte er gesagt, runter und fuhr mit dem Fahrrad davon. Das heißt: er schob es davon. Ging so schnell er konnte, ohne dabei zu laufen. Die Finger den Lenker fest umschlossen. Drehte sich um und um und wieder. Niemand zu sehen. Sein Herz klopfte unter seinem Kehlkopf wie das verräterische Herz von Edgar Allen Poe. Er hatte es geschenkt bekommen, weil Frauke sein Fahrrad gekriegt hatte. Einen neuen Erzählband. Und Hugo hatte sich gefreut. <br>Er schob und schob und schob, bis er im Park angekommen war. Dort lehnte er es an eine Bank und ging wieder nach Hause. Das Schloss hatte er unterwegs an einen Mülleimer gekettet.
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Ein dumpfes Geräusch und [[Hugo|Hugo]] ging dahin, wo es hergekommen war. Er ging zum Fenster. Etwas war von außen gegen die Scheibe geflogen. Eine klare geleeartige Substanz war zu sehen, fingernagelgroß, schlierte und klebte und versperrte ihm die Sicht. Und etwas schwarzes dünnes längliches stach daraus hervor. Ein Insektenbein, dachte Hugo, oder ein Fühler. <br>Hugo holte einen Lappen. Die Sonne schien und räkelte sich auf einer Wolke. Das gefiel ihm nicht, das animierte die Leute nur wieder alles draußen zu machen. Eine Frau auf dem Balkon gegenüber am Sonnen, Sonnenbrille und Bikini. Nein, das wollte er nicht sehen. Er versuchte sich auf den Fleck zu konzentrieren. Der Fleck war hartnäckig, Hugo musste in die Küche und den Lappen anfeuchten. Schon besser. <br>Auf dem Bürgersteig unter dem Balkon mit der Frau sah er zwei Jungen. Sie hatten ihre Fahrräder umgedreht, auf den Lenker. Putzten die Speichen. Ölten die Kette und flickten den Vorderreifen. Das eine Fahrrad schien ihn mit seinem zyklopischen Auge anzusehen. Es sah ihn an und sah ihn an und hörte gar nicht mehr auf, ihn anzusehen. Es sah ihn mit Augen an, die zu sagen schienen: Ich weiß, was du getan hast. <br>Es weiß bescheid, dachte Hugo, alle Fahrräder wissen bescheid. Und dachte dabei an Poe, das verräterische Herz. Wohnzimmer, erstes Regal, oben links bei den Kurzgeschichten. Hugo hatte lange nicht daran gedacht. Damals war er acht oder neun gewesen und Frauke zwei Jahre jünger gerade dabei, dass Fahrradfahren zu lernen. Er selbst hatte es gehasst. Der unkontrollierbare Lenker, die Höhe und das seine Füße den Boden nicht berührten. Fahrradfahren war für Hugo wie für andere Kinder Brokkoliessen. Und das hatte er seinem Vater auch gesagt und dann musste er auch nicht mehr. <br>Aber [[Frauke_2|Frauke]]. Sturz um Sturz, die vielen Schürfwunden am Knie, Eiter, die Kruste, sie ekelte ihn an und tat ihm leid zugleich, der viele Schweiß und die fettigen Haare unter dem Helm. Hugo hatte ihr nur helfen wollen. Schlich als alle beim Abendessen waren, er hatte keinen Hunger, hatte er gesagt, runter und fuhr mit dem Fahrrad davon. Das heißt: er schob es davon. Ging so schnell er konnte, ohne dabei zu laufen. Die Finger den Lenker fest umschlossen. Drehte sich um und um und wieder. Niemand zu sehen. Sein Herz klopfte unter seinem Kehlkopf wie das verräterische Herz von Edgar Allen Poe. Er hatte es geschenkt bekommen, weil Frauke sein Fahrrad gekriegt hatte. Einen neuen Erzählband. Und Hugo hatte sich gefreut. <br>Er schob und schob und schob, bis er im Park angekommen war. Dort lehnte er es an eine Bank und ging wieder nach Hause. Das Schloss hatte er unterwegs an einen Mülleimer gekettet.  
  
 
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Version vom 7. November 2008, 11:36 Uhr

Ein dumpfes Geräusch und Hugo ging dahin, wo es hergekommen war. Er ging zum Fenster. Etwas war von außen gegen die Scheibe geflogen. Eine klare geleeartige Substanz war zu sehen, fingernagelgroß, schlierte und klebte und versperrte ihm die Sicht. Und etwas schwarzes dünnes längliches stach daraus hervor. Ein Insektenbein, dachte Hugo, oder ein Fühler.
Hugo holte einen Lappen. Die Sonne schien und räkelte sich auf einer Wolke. Das gefiel ihm nicht, das animierte die Leute nur wieder alles draußen zu machen. Eine Frau auf dem Balkon gegenüber am Sonnen, Sonnenbrille und Bikini. Nein, das wollte er nicht sehen. Er versuchte sich auf den Fleck zu konzentrieren. Der Fleck war hartnäckig, Hugo musste in die Küche und den Lappen anfeuchten. Schon besser.
Auf dem Bürgersteig unter dem Balkon mit der Frau sah er zwei Jungen. Sie hatten ihre Fahrräder umgedreht, auf den Lenker. Putzten die Speichen. Ölten die Kette und flickten den Vorderreifen. Das eine Fahrrad schien ihn mit seinem zyklopischen Auge anzusehen. Es sah ihn an und sah ihn an und hörte gar nicht mehr auf, ihn anzusehen. Es sah ihn mit Augen an, die zu sagen schienen: Ich weiß, was du getan hast.
Es weiß bescheid, dachte Hugo, alle Fahrräder wissen bescheid. Und dachte dabei an Poe, das verräterische Herz. Wohnzimmer, erstes Regal, oben links bei den Kurzgeschichten. Hugo hatte lange nicht daran gedacht. Damals war er acht oder neun gewesen und Frauke zwei Jahre jünger gerade dabei, dass Fahrradfahren zu lernen. Er selbst hatte es gehasst. Der unkontrollierbare Lenker, die Höhe und das seine Füße den Boden nicht berührten. Fahrradfahren war für Hugo wie für andere Kinder Brokkoliessen. Und das hatte er seinem Vater auch gesagt und dann musste er auch nicht mehr.
Aber Frauke. Sturz um Sturz, die vielen Schürfwunden am Knie, Eiter, die Kruste, sie ekelte ihn an und tat ihm leid zugleich, der viele Schweiß und die fettigen Haare unter dem Helm. Hugo hatte ihr nur helfen wollen. Schlich als alle beim Abendessen waren, er hatte keinen Hunger, hatte er gesagt, runter und fuhr mit dem Fahrrad davon. Das heißt: er schob es davon. Ging so schnell er konnte, ohne dabei zu laufen. Die Finger den Lenker fest umschlossen. Drehte sich um und um und wieder. Niemand zu sehen. Sein Herz klopfte unter seinem Kehlkopf wie das verräterische Herz von Edgar Allen Poe. Er hatte es geschenkt bekommen, weil Frauke sein Fahrrad gekriegt hatte. Einen neuen Erzählband. Und Hugo hatte sich gefreut.
Er schob und schob und schob, bis er im Park angekommen war. Dort lehnte er es an eine Bank und ging wieder nach Hause. Das Schloss hatte er unterwegs an einen Mülleimer gekettet.