Simultan

Eine ganze Menge Mitesser

Aus Simultan

„Wohnen Sie alleine hier?“, fragt der Mann, vor Mariannes Haustür stehend. Er trägt einen Trainingsanzug. Marianne weicht zurück und schiebt die Tür ein Stück zu.
„Wo wohnen Sie denn?“, fragt sie ihn.
„Im Haus gegenüber..." Er zeigt hinter sich. "Ich dachte, wir könnten vielleicht mal was trinken gehen oder so…“
„Ich weiss nicht. Ich bin verheiratet.“
„Das macht nichts.“

„Kommen Sie doch rein“, sagt Marianne plötzlich.
„Soll ich die Schuhe ausziehen?“
„Ich habe schon lange nicht mehr geputzt.“
Im Flur liegen Berge alter Frauenzeitschriften. Freundin, Brigitte, Annabelle… Sie betreten das Wohnzimmer. An den Wänden stehen Aquarien, in denen sich hunderte Fische tümmelten.  Marianne bittet den Mann in die Küche. "Mögen Sie Kaffee? Ich kaufe ja nur diesen Fair-Trade-Kaffee, weil mir die Kaffeebauern in Südamerika so leid tun.“
„Ja, gerne. Südamerika ist schön.“
„Waren Sie schon mal da? Ich möchte da schon seit Ewigkeiten mal hin", sagt Marianne.
„Ja, letzten Sommer. Bevor ich hierher gezogen bin. Habe Freunde besucht, sind ausgewandert. Nach Chile.“
Sie nimmt die Kaffeekanne, schraubt sie auf, füllt Wasser ein, löffelt aus einer Dose etwas Kaffepulver in die Kanne, setzt den Behälter auf und schliesslich die Kanne auf eine Herdplatte.
„Mögen Sie Kuchen?“, fragt sie. „Ich habe Kuchen gebacken.“
Er kann nicht einmal antworten, da hat sie schon einen Teller in der Hand, auf dem ein Kuchenstück liegt. Marianne geht ins Wohnzimmer, setzt sich auf die Couch und schaltet den Fernseher ein.
„Soll ich hier etwas aufpassen?“, ruft der Mann.
„Was?“, ruft sie zurück. „Entschuldigen Sie! Ich habe ganz vergessen... Wie heissen Sie eigentlich?“
„Christoph Petersen.“

"Marianne Ingolf. Und was machen Sie so im Leben, Christoph Petersen?“
„Bin Telematiker.“
„Das sind die mit den Computern?“
„Nicht ganz. Ein Telematiker verlegt Leitungen“, antwortet er.
„Schön. Ich bin Kosmetikerin. Sie haben sicher die Türe am Ende des Flurs gesehen. Das ist mein Studio. Ich verdiene nicht viel, aber zum Leben reicht es."
Sie haben ja auch eine ganze Menge Mitesser", sagt Christoph. „Die Fische, meine ich...“