Simultan
Fahrenheit
Aus Simultan
Ich schwebe über die Stufen der Treppe, um auf dem Kopfsteinpflaster auszugleiten, genauer gesagt auf der schmierigen, aufgeweichten Pappe, die das Pflaster überspannt und durch die sich mein Absatz bohrt, in den Rinnen zwischen den Steinen verhakt und mich vor einem Sturz bewahrt. Auffluchend, dann ganz ruhig, stolz, erhaben, schiebe ich die Papierfetzen mit der Stiefelspitze zur Seite und steige darüber hinweg, als wäre es Hundekot oder Erbrochenes.
Ein Flyer. Der gleiche Flyer, der auf der anderen Strassenseite an die Plakatwand geheftet ist.
Die Katze hat ein schönes Fell.
An meiner Ladentür ist ein weiteres Suchplakat mit Schwarzweissfoto angeklebt, als würde das zermatschte auf der Treppe nicht genügen, es ist mit Klebband an die Glastür geheftet, das ausfranst, als ich es abzulösen versuche, und klebrige Spuren hinterlässt, die sich als graue Krümel unter meinen Fingernägeln sammeln.
Ich stürme die Treppe zur Wohnung hoch und suche Nagelfeile und Wundbenzin.
Die Flasche mit Wundbenzin ist leer, ich muss mir eine neue besorgen, um dem Geschmier Herrin zu werden, ich wollte sowieso in die Stadt. Mit dem Bus Nummer 70 ruckle ich von der Mühlebrücke vorbei am Brunnenplatz, auf dessen Namensgeber Raben herumspritzen, bis zum Zentralplatz, zum neuen Manor. Ein schönes Gebäude, glasig und doch dunkel, kalt zwar, aber schön zum Einkaufen, zum Geld ausgeben.
Sie haben kein Wundbenzin, als Ersatz kaufe ich mir ein Parfüm.
Fahrenheit, das rot-orange von Dior, ein Männerparfüm, das herb und mit starkem Charakter für Männer gebraut, ich aber seit Jahren an meinen Hals, meine Brust und hinter meine Ohren tupfe, und dessen Alkohol die Klebspuren ablösen wird. Zugedröhnt trete aus der vernebelten Parfümerieabteilung und schmökere vis-à-vis in der Kleiderboutique Bijou, bis Isabelle, die Inhaberin, mit mir im Globus angelehrt, kommt und mich fragt, wie mein Geschäft so laufe.
Vor dem Zebrastreifen spritzt mich der vorüberbrausende Bus nass.
Mit den wolligen Handschuhen sauge ich die sich sammelnden Tröpfchen auf meinem Mantel auf, verteile sie aber nur und massiere sie in den Stoff ein. Ich schaue zur Boutique zurück, doch niemand lacht, grinst oder hätte hergesehen. Zögernd gehe ich über den Zebrastreifen, merke, wie ein Mann mir nachschleicht, und da ich das nicht mag, bleibe ich mitten auf der Strasse stehen, um ihn vorbeizulassen, doch er verlangsamt seinen Schritt ebenfalls und überholt mich nicht, als habe er Angst davor. Als ich mich umwende, schaut er zu Boden.
Er trägt ein schönes T-Shirt.