Simultan

Magdalena antwortet: Unterschied zwischen den Versionen

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an einem, in einen tristen weißen Nebel gehüllten, in nicht allzu weit entfernter Vergangenheit liegenden Morgen, erreicht unser friedliches bescheides Heim in der Marmornenvilla ein Schriftstück, ein hingekrakelter Wisch unterschrieben von einer Person Ihren Namens. Einen Brief möchten wir es ungerne nennen. Adressiert war dieses denkwürdige Exempel neumodischer Indiskretion an eine "Liebe Magdalena". Wir empfinden das tiefste Bedürfnis, darauf hinweisen zu dürfen, dass eine ebensolche Person in unserem friedlichen Heim, der vier Jahrhunderte durchwachten Marmorvilla, nicht behausigt ist. In der aller höchsten Bescheidenheit und ohne auch nur die Möglichkeit in Betracht ziehen zu wagen, Sie vermuteten eine "Liebe Magdalena" in einer hier weilenden Person, möchten wir Ihnen sehr gerne und mit einem leichten, demohngeachtet nicht zu unterdrückenden Anflug von Stolz die ins Ellenlange ausgedehnte Ahnenreihe in Erinnerung rufen, die durch all die Jahrhunderte hinweg unseren Wenigkeiten das kleine und doch so bedeutungsvolle Wörtchen "von" übertragen hat. <br>Desweitern erwähnen Sie in ebenjenem fehlgeleiteten Schriftstück einen "Verein zur Förderung der schweizerischen Textilhandarbeit". Auch hier scheinen Sie einem horrenden Irrtum erlegen. Unseres altehrwürdigen Wissens existieret ein "Vereinigung zur Förderung der helvetianischen Textilhandarbeit". Sollten Sie diesen von allen Kennern der eidgenössichen Modebranche hochgeschätzten Budn gemeinet haben täte uns das unbeschreibliches Leid zu fügen, da einige Schmuckstücke des Vokabulares, welches Sie in Zusammenhang mit unserer hochgeschätzten Genossenschaft zu Papier brachten trauriger Weise unserem Wortschatze entäußert liegen. Erwähnen in diesem Zusammenhange möchten wir gerne Wortgebilde als da zu nennen sind "Esprit-Store" gleichenteils wie "Verteilerliste" ebensolchermaßen "Email-Adresse". <br>Bezug nehmen möchten wir sehr gerne auch auf die von Ihnen angedeutete Schließung des Geschäftes unserer hochgeschätzten Freundin Ester Schneiter. Es ist uns eine sehr große Freude, die unsereinen mit den goldenen Lichtlanzen des Stolzes erfüllt, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass eine solche Schließung nicht befürchtet werden muss. Mit dem schweren Amt der Präsidentschaft unserer geliebten Vereinigung betraut, können wir Ihnen zusichern, dass unsere Vereinigung ihrem tiefeingewurzelten Rufe folgt, wenn sie ebensolcheinen harten Verlust für die helvetianische Kultur verhindert.<br>Desweiteren finden wir in Ihrem erstaunlichen Schriftwerk die Erwähnung einer "Organisation zur Betreuung obdachloser Frauen". Wiederum können wir nur erahnen, dass Sie möglicherweise die "Genossenschaft zur Hülfe entwurzelter weiblicher Existenzen" meinen und Sie haben durchaus recht, dass wir uns auch die Bürde der Präsidentschaft dieser bedeutungsvollen Vereinigung aufgeladen haben. Ich kann Sie aber versichern, dass in unserer schönen mit zwei so wundervollen Sprachen und einem so heilsamen Nebel gesegneten Stadt Biel-Strich-Bienne, nach jahrzehntelanger aufreibender Tätigkeit unserer Genossenschaft keine solcher Existenzen mehr zu finden sind. Wohl musste ich vor einigen Tagen die arme Frau U. in meine besonder Obhut nehmen, da sie in bester Hoffnung war ohne verheirtatet zu sein, doch war es uns möglich dank der so langen Erfahrung unserer Genossenschaftsglieder auch diese schwere Herausforderung zu gülden zu besiegen.<br>Indem Sie eine verwirrte Frau erwähnen rufen Sie uns doch Bilder einer älteren weiblichen Person in unsere von achsovielen schwerwiegenden Ereignissen gefüllten Erinnerung. Könnte es sein, dass Sie von einem weiblichen Wesen, von einer Frau möchten wir nicht sprechen, selbst das Wort "weiblich" scheint uns bereits ein schwerer Vorwurf an unser zartes Geschlecht, schrieben, das in letzterer Zeit die Gassen und Weglein unserer lieblichern Stadt durchwandert, dabei ahnungslose Passanten, unschuldige Schulkinder anspricht, ja womöglich sogar sich entäußert Gesten nicht ganz eindeutigen Inhalts an diese braven Bürger unserer Stadt zu richten? Das zu tiefst erschütternde Unglück, jenes Wesen in unseren leidgeprüften Augenschein nehmen zu müssen, schätzt sich unsere Wenigkeit glücklich noch nicht erlitten zu haben. Demohngeachtet erreichte unsere allen klagenden Hilferufen offenen Ohren die Nennung eines solchen Wesens bereits von verschiedenen der Stadt ansässigen besorgten Müttern und in ihrem tiefsten Anstandsgefühl verletzten ehrlichen Bürgern. Jenes Wesen soll sich nämlich, wir wagen kaum es anzudeuten, des Schimpfes schuldig gemacht haben, mit nichts als einem kaum ihre unschönen Körperformen verhüllenden Hemdes sowie zu tief sitzenden weiten Beinkleidern, die Großteile ihrer Blöße bei jedem Schritt enthüllten angetan, sich der Öffentlichkeit gezeigt zu haben. Desweiteren soll dieses Wesen es missen lassen, ihr Kopfhaar, ein wirrer Schwarm Locken unbestimmbarer Farbe, zu waschen sowie ihre gesamte Körperlichkeit unseren Berichten zufolge längere Zeit bereits keine reinigende Kraft an sich erlebt hat. Seine Fingernägel sollen bereits eine dunkle Rotschattierung angenommen haben und seine Augen einen aggressiven Violettton zeigen. Dies nur als Andeutung der seltsamen Gerüchte, die uns bezüglich jenes Wesens ereilet haben. Ohne dem meinen ganzen schwer zu gewinnenden Glauben schenken zu wollen, erwähne ich hier noch einen schrecklichen Gestank, den jenes Wesen wie ein warnendes Banner hinter sich her ziehen soll sowie einen schwarzen Mantel, den es mitunter zu tragen bezeichnet wurde und dessen Flügel ihm wie federbesetzte Schwingen oder anderen Quelen zufolge wie die giftigen schmerzverstrahlenden schwellenden Arme einer Qualle umflattert. <br>Was jenes Wesen betrifft, so möchten wir uns dagegen wehren, es in einem Atemzug mit unserem altehrwürdigen Bund genannt zu hören. Insofern als jenes Wesen kaum eine weiblich Existenz zu nenen ist, entzieht es sich naturgemäß bereits dem Zuständigskeitsbereiche unserer Vereinigung, desweiteren können wir unmöglich in Erwägung ziehen, jenes Wesen als Einwohner unseres gottgesegneten Städtchens anzusehen, dem unser Bund sich verpflichtet fühlet.<br>Demohngeachtet sollten wir als Bürger dieses schönen Fleckchen Erdes uns entschließen, hier gemeinsam tätig zu werden.
  
Sehr geehrte Frau Trepkowitz,
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<br>Wir verbleiben mit wohlmeinendsten bescheidensten Grüßen aus der Marmornenvilla&nbsp;an eine uns unbekannte Person, <br>Magdalena von Tannrauch<br>
  
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an einem, in einen tristen weißen Nebel gehüllten, in nicht allzu weit entfernter Vergangenheit liegenden Morgen, erreicht unser friedliches bescheides Heim in der Marmornenvilla ein Schriftstück, ein hingekrakelter Wisch unterschrieben von einer Person Ihren Namens. Einen Brief möchten wir es ungerne nennen. Adressiert war dieses denkwürdige Exempel neumodischer Indiskretion an eine "Liebe Magdalena". Wir empfinden das tiefste Bedürfnis, darauf hinweisen zu dürfen, dass eine ebensolche Person in unserem friedlichen Heim, der vier Jahrhunderte durchwachten Marmorvilla, nicht behausigt ist. In der aller höchsten Bescheidenheit und ohne auch nur die Möglichkeit in Betracht ziehen zu wagen, Sie vermuteten eine "Liebe Magdalena" in einer hier weilenden Person, möchten wir Ihnen sehr gerne und mit einem leichten, demohngeachtet nicht zu unterdrückenden Anflug von Stolz die ins Ellenlange ausgedehnte Ahnenreihe in Erinnerung rufen, die durch all die Jahrhunderte hinweg unseren Wenigkeiten das kleine und doch so bedeutungsvolle Wörtchen "von" übertragen hat. <br>Desweitern erwähnen Sie in ebenjenem fehlgeleiteten Schriftstück einen "Verein zur Förderung der schweizerischen Textilhandarbeit". Auch hier scheinen Sie einem horrenden Irrtum erlegen. Unseres altehrwürdigen Wissens existieret ein "Vereinigung zur Förderung der helvetianischen Textilhandarbeit". Sollten Sie diesen von allen Kennern der eidgenössichen Modebranche hochgeschätzten Budn gemeinet haben täte uns das unbeschreibliches Leid zu fügen, da einige Schmuckstücke des Vokabulares, welches Sie in Zusammenhang mit unserer hochgeschätzten Genossenschaft zu Papier brachten trauriger Weise unserem Wortschatze entäußert liegen. Erwähnen in diesem Zusammenhange möchten wir gerne Wortgebilde als da zu nennen sind "Esprit-Store" gleichenteils wie "Verteilerliste" ebensolchermaßen "Email-Adresse". <br>Bezug nehmen möchten wir sehr gerne auch auf die von Ihnen angedeutete Schließung des Geschäftes unserer hochgeschätzten Freundin Ester Schneiter. Es ist uns eine sehr große Freude, die unsereinen mit den goldenen Lichtlanzen des Stolzes erfüllt, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass eine solche Schließung nicht befürchtet werden muss. Mit dem schweren Amt der Präsidentschaft unserer geliebten Vereinigung betraut, können wir Ihnen zusichern, dass unsere Vereinigung ihrem tiefeingewurzelten Rufe folgt, wenn sie ebensolcheinen harten Verlust für die helvetianische Kultur verhindert.<br>Desweiteren finden wir in Ihrem erstaunlichen Schriftwerk die Erwähnung einer "Organisation zur Betreuung obdachloser Frauen". Wiederum können wir nur erahnen, dass Sie möglicherweise die "Genossenschaft zur Hülfe entwurzelter weiblicher Existenzen" meinen und Sie haben durchaus recht, dass wir uns auch die Bürde der Präsidentschaft dieser bedeutungsvollen Vereinigung aufgeladen haben. Ich kann Sie aber versichern, dass in unserer schönen mit zwei so wundervollen Sprachen und einem so heilsamen Nebel gesegneten Stadt Biel-Strich-Bienne, nach jahrzehntelanger aufreibender Tätigkeit unserer Genossenschaft keine solcher Existenzen mehr zu finden sind. Wohl musste ich vor einigen Tagen die arme Frau U. in meine besonder Obhut nehmen, da sie in bester Hoffnung war ohne verheirtatet zu sein, doch war es uns möglich dank der so langen Erfahrung unserer Genossenschaftsglieder auch diese schwere Herausforderung zu gülden zu besiegen.<br>Indem Sie eine verwirrte Frau erwähnen rufen Sie uns doch Bilder einer älteren weiblichen Person in unsere von achsovielen schwerwiegenden Ereignissen gefüllten Erinnerung. Könnte es sein, dass Sie von einem weiblichen Wesen, von einer Frau möchten wir nicht sprechen, selbst das Wort "weiblich" scheint uns bereits ein schwerer Vorwurf an unser zartes Geschlecht, schrieben, das in letzterer Zeit die Gassen und Weglein unserer lieblichern Stadt durchwandert, dabei ahnungslose Passanten, unschuldige Schulkinder anspricht, ja womöglich sogar sich entäußert Gesten nicht ganz eindeutigen Inhalts an diese braven Bürger unserer Stadt zu richten? Das zu tiefst erschütternde Unglück, jenes Wesen in unseren leidgeprüften Augenschein nehmen zu müssen, schätzt sich unsere Wenigkeit glücklich noch nicht erlitten zu haben. Demohngeachtet erreichte unsere allen klagenden Hilferufen offenen Ohren die Nennung eines solchen Wesens bereits von verschiedenen der Stadt ansässigen besorgten Müttern und in ihrem tiefsten Anstandsgefühl verletzten ehrlichen Bürgern. Jenes Wesen soll sich nämlich, wir wagen kaum es anzudeuten, des Schimpfes schuldig gemacht haben, mit nichts als einem kaum ihre unschönen Körperformen verhüllenden Hemdes sowie zu tief sitzenden weiten Beinkleidern, die Großteile ihrer Blöße bei jedem Schritt enthüllten angetan, sich der Öffentlichkeit gezeigt zu haben. Desweiteren soll dieses Wesen es missen lassen, ihr Kopfhaar, ein wirrer Schwarm Locken unbestimmbarer Farbe, zu waschen sowie ihre gesamte Körperlichkeit unseren Berichten zufolge längere Zeit bereits keine reinigende Kraft an sich erlebt hat. Seine Fingernägel sollen bereits eine dunkle Rotschattierung angenommen haben und seine Augen einen aggressiven Violettton zeigen. Dies nur als Andeutung der seltsamen Gerüchte, die uns bezüglich jenes Wesens ereilet haben. Ohne dem meinen ganzen schwer zu gewinnenden Glauben schenken zu wollen, erwähne ich hier noch einen schrecklichen Gestank, den jenes Wesen wie ein warnendes Banner hinter sich her ziehen soll sowie einen schwarzen Mantel, den es mitunter zu tragen bezeichnet wurde und dessen Flügel ihm wie federbesetzte Schwingen oder anderen Quelen zufolge wie die giftigen schmerzverstrahlenden schwellenden Arme einer Qualle umflattert. <br>Was jenes Wesen betrifft, so möchten wir uns dagegen wehren, es in einem Atemzug mit unserem altehrwürdigen Bund genannt zu hören. Insofern als jenes Wesen kaum eine weiblich Existenz zu nenen ist, entzieht es sich naturgemäß bereits dem Zuständigskeitsbereiche unserer Vereinigung, desweiteren können wir unmöglich in Erwägung ziehen, jenes Wesen als Einwohner unseres gottgesegneten Städtchens anzusehen, dem unser Bund sich verpflichtet fühlet.<br>Demohngeachtet sollten wir als Bürger dieses schönen Fleckchen Erdes uns entschließen, hier gemeinsam tätig zu werden.
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<br>Wir verbleiben mit wohlmeinendsten bescheidensten Grüßen aus der Marmornenvilla&nbsp;an eine uns unbekannte Person, <br>Magdalena von Tannrauch<br>
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Version vom 24. Oktober 2008, 09:33 Uhr

Irina Trepkowitz

Esprit Switzerland

Distribution AG

Talackerstrasse 13

8152 Glattbrug



Magdalena Tannrauch 

Obergasse 28

2503 Biel




Sehr geehrte Frau Trepkowitz,


an einem, in einen tristen weißen Nebel gehüllten, in nicht allzu weit entfernter Vergangenheit liegenden Morgen, erreicht unser friedliches bescheides Heim in der Marmornenvilla ein Schriftstück, ein hingekrakelter Wisch unterschrieben von einer Person Ihren Namens. Einen Brief möchten wir es ungerne nennen. Adressiert war dieses denkwürdige Exempel neumodischer Indiskretion an eine "Liebe Magdalena". Wir empfinden das tiefste Bedürfnis, darauf hinweisen zu dürfen, dass eine ebensolche Person in unserem friedlichen Heim, der vier Jahrhunderte durchwachten Marmorvilla, nicht behausigt ist. In der aller höchsten Bescheidenheit und ohne auch nur die Möglichkeit in Betracht ziehen zu wagen, Sie vermuteten eine "Liebe Magdalena" in einer hier weilenden Person, möchten wir Ihnen sehr gerne und mit einem leichten, demohngeachtet nicht zu unterdrückenden Anflug von Stolz die ins Ellenlange ausgedehnte Ahnenreihe in Erinnerung rufen, die durch all die Jahrhunderte hinweg unseren Wenigkeiten das kleine und doch so bedeutungsvolle Wörtchen "von" übertragen hat.
Desweitern erwähnen Sie in ebenjenem fehlgeleiteten Schriftstück einen "Verein zur Förderung der schweizerischen Textilhandarbeit". Auch hier scheinen Sie einem horrenden Irrtum erlegen. Unseres altehrwürdigen Wissens existieret ein "Vereinigung zur Förderung der helvetianischen Textilhandarbeit". Sollten Sie diesen von allen Kennern der eidgenössichen Modebranche hochgeschätzten Budn gemeinet haben täte uns das unbeschreibliches Leid zu fügen, da einige Schmuckstücke des Vokabulares, welches Sie in Zusammenhang mit unserer hochgeschätzten Genossenschaft zu Papier brachten trauriger Weise unserem Wortschatze entäußert liegen. Erwähnen in diesem Zusammenhange möchten wir gerne Wortgebilde als da zu nennen sind "Esprit-Store" gleichenteils wie "Verteilerliste" ebensolchermaßen "Email-Adresse".
Bezug nehmen möchten wir sehr gerne auch auf die von Ihnen angedeutete Schließung des Geschäftes unserer hochgeschätzten Freundin Ester Schneiter. Es ist uns eine sehr große Freude, die unsereinen mit den goldenen Lichtlanzen des Stolzes erfüllt, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass eine solche Schließung nicht befürchtet werden muss. Mit dem schweren Amt der Präsidentschaft unserer geliebten Vereinigung betraut, können wir Ihnen zusichern, dass unsere Vereinigung ihrem tiefeingewurzelten Rufe folgt, wenn sie ebensolcheinen harten Verlust für die helvetianische Kultur verhindert.
Desweiteren finden wir in Ihrem erstaunlichen Schriftwerk die Erwähnung einer "Organisation zur Betreuung obdachloser Frauen". Wiederum können wir nur erahnen, dass Sie möglicherweise die "Genossenschaft zur Hülfe entwurzelter weiblicher Existenzen" meinen und Sie haben durchaus recht, dass wir uns auch die Bürde der Präsidentschaft dieser bedeutungsvollen Vereinigung aufgeladen haben. Ich kann Sie aber versichern, dass in unserer schönen mit zwei so wundervollen Sprachen und einem so heilsamen Nebel gesegneten Stadt Biel-Strich-Bienne, nach jahrzehntelanger aufreibender Tätigkeit unserer Genossenschaft keine solcher Existenzen mehr zu finden sind. Wohl musste ich vor einigen Tagen die arme Frau U. in meine besonder Obhut nehmen, da sie in bester Hoffnung war ohne verheirtatet zu sein, doch war es uns möglich dank der so langen Erfahrung unserer Genossenschaftsglieder auch diese schwere Herausforderung zu gülden zu besiegen.
Indem Sie eine verwirrte Frau erwähnen rufen Sie uns doch Bilder einer älteren weiblichen Person in unsere von achsovielen schwerwiegenden Ereignissen gefüllten Erinnerung. Könnte es sein, dass Sie von einem weiblichen Wesen, von einer Frau möchten wir nicht sprechen, selbst das Wort "weiblich" scheint uns bereits ein schwerer Vorwurf an unser zartes Geschlecht, schrieben, das in letzterer Zeit die Gassen und Weglein unserer lieblichern Stadt durchwandert, dabei ahnungslose Passanten, unschuldige Schulkinder anspricht, ja womöglich sogar sich entäußert Gesten nicht ganz eindeutigen Inhalts an diese braven Bürger unserer Stadt zu richten? Das zu tiefst erschütternde Unglück, jenes Wesen in unseren leidgeprüften Augenschein nehmen zu müssen, schätzt sich unsere Wenigkeit glücklich noch nicht erlitten zu haben. Demohngeachtet erreichte unsere allen klagenden Hilferufen offenen Ohren die Nennung eines solchen Wesens bereits von verschiedenen der Stadt ansässigen besorgten Müttern und in ihrem tiefsten Anstandsgefühl verletzten ehrlichen Bürgern. Jenes Wesen soll sich nämlich, wir wagen kaum es anzudeuten, des Schimpfes schuldig gemacht haben, mit nichts als einem kaum ihre unschönen Körperformen verhüllenden Hemdes sowie zu tief sitzenden weiten Beinkleidern, die Großteile ihrer Blöße bei jedem Schritt enthüllten angetan, sich der Öffentlichkeit gezeigt zu haben. Desweiteren soll dieses Wesen es missen lassen, ihr Kopfhaar, ein wirrer Schwarm Locken unbestimmbarer Farbe, zu waschen sowie ihre gesamte Körperlichkeit unseren Berichten zufolge längere Zeit bereits keine reinigende Kraft an sich erlebt hat. Seine Fingernägel sollen bereits eine dunkle Rotschattierung angenommen haben und seine Augen einen aggressiven Violettton zeigen. Dies nur als Andeutung der seltsamen Gerüchte, die uns bezüglich jenes Wesens ereilet haben. Ohne dem meinen ganzen schwer zu gewinnenden Glauben schenken zu wollen, erwähne ich hier noch einen schrecklichen Gestank, den jenes Wesen wie ein warnendes Banner hinter sich her ziehen soll sowie einen schwarzen Mantel, den es mitunter zu tragen bezeichnet wurde und dessen Flügel ihm wie federbesetzte Schwingen oder anderen Quelen zufolge wie die giftigen schmerzverstrahlenden schwellenden Arme einer Qualle umflattert.
Was jenes Wesen betrifft, so möchten wir uns dagegen wehren, es in einem Atemzug mit unserem altehrwürdigen Bund genannt zu hören. Insofern als jenes Wesen kaum eine weiblich Existenz zu nenen ist, entzieht es sich naturgemäß bereits dem Zuständigskeitsbereiche unserer Vereinigung, desweiteren können wir unmöglich in Erwägung ziehen, jenes Wesen als Einwohner unseres gottgesegneten Städtchens anzusehen, dem unser Bund sich verpflichtet fühlet.
Demohngeachtet sollten wir als Bürger dieses schönen Fleckchen Erdes uns entschließen, hier gemeinsam tätig zu werden.


Wir verbleiben mit wohlmeinendsten bescheidensten Grüßen aus der Marmornenvilla an eine uns unbekannte Person,
Magdalena von Tannrauch