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Silvia: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Tochter von Marianne.
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Sivlia geht alleine zur Schule. Sie ist stolz darauf. <br>Sie weiß, dass sie auf zwei Dinge aufpassen muss: Auf die Autos, wenn sie vor dem Zebrastreifen steht. Und auf die Psychopathen.<br>Das Wort hat sie von ihrem Vater gelernt. Er weiß nicht, dass sie weiß, was Psychopathen sind. Silvia weiß es sehr gut. Sie erkennt sie schon von weitem. Sie sitzen auf Bänken aber sie warten nicht. Sie gehen aber sie gehen nirgendwo hin. Sie schleifen die Füße über den Asphalt oder sitzen ohne sich zu bewegen für lange Zeit. Vor ihnen laufen Menschen, fahren Autos aber sie sehen nichts. Sie reden aber sie sprechen zu niemanden, niemand sitzt neben ihnen und wenn doch eine alte Frau sich neben einen setzt, schwer gefüllte Tüten sorgfältig um eng geschlossene Beine stellt, dann hält sie den Kopf hoch, steif, schaut nicht zu ihm egal was er sagt.<br>Hat Silvia zwischen den Fußgängern einen mit dieser krummen Haltung, der dunklen, zerrissenen, dreckigen Kleidung entdeckt, macht sie einen Bogen so weit wie möglich. Muss sie doch an ihm vorbei gehen, versucht sie zu gucken wie die Oma auf der Bank und geht schneller. Manchmal aber kann sie sich nicht beherrschen und gerade wenn sie an ihm vorüber geht, schaut sie zu ihm. Dann sieht sie eine riesige, schiefe Nase, aus der schleimverklebte Haare wachsen oder zugequollene Augen, nur das eine einen Schlitz weit offen oder ein Ohr, das zur Hälfte fehlt und ihr wird heiß, sie zittert und schaut weg. Abends im Bett denkt sie daran zurück und wieder fühlt sie die Hitze, zieht ihr Körper sich zusammen.<br>Kurz bevor sie zu Hause ist, muss Silvia durch die kleine Gasse gehen. Dort ist außer ihr kein Mensch. Dann lauscht sie. Hört ihre Schritte. Und dann fremde. Hinter ihr geht einer. Sie will sich umschauen aber sie weiß, dass das nicht geht. Sie will schneller laufen aber auch das darf sie nicht. Sie lauscht auf die Schritte. Sind es die Schritte eines Psychopathen? Erst wenn sie wieder auf der großen Straße läuft wo normale Menschen sind, wagt sie es, sich umzuschauen.<br><br>
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So heiß allerdings wurde ihr noch nie, wie damals [[Silvia_trifft_Daisy|auf dem Zebrastreifen]].

Aktuelle Version vom 27. September 2008, 12:26 Uhr

Sivlia geht alleine zur Schule. Sie ist stolz darauf.
Sie weiß, dass sie auf zwei Dinge aufpassen muss: Auf die Autos, wenn sie vor dem Zebrastreifen steht. Und auf die Psychopathen.
Das Wort hat sie von ihrem Vater gelernt. Er weiß nicht, dass sie weiß, was Psychopathen sind. Silvia weiß es sehr gut. Sie erkennt sie schon von weitem. Sie sitzen auf Bänken aber sie warten nicht. Sie gehen aber sie gehen nirgendwo hin. Sie schleifen die Füße über den Asphalt oder sitzen ohne sich zu bewegen für lange Zeit. Vor ihnen laufen Menschen, fahren Autos aber sie sehen nichts. Sie reden aber sie sprechen zu niemanden, niemand sitzt neben ihnen und wenn doch eine alte Frau sich neben einen setzt, schwer gefüllte Tüten sorgfältig um eng geschlossene Beine stellt, dann hält sie den Kopf hoch, steif, schaut nicht zu ihm egal was er sagt.
Hat Silvia zwischen den Fußgängern einen mit dieser krummen Haltung, der dunklen, zerrissenen, dreckigen Kleidung entdeckt, macht sie einen Bogen so weit wie möglich. Muss sie doch an ihm vorbei gehen, versucht sie zu gucken wie die Oma auf der Bank und geht schneller. Manchmal aber kann sie sich nicht beherrschen und gerade wenn sie an ihm vorüber geht, schaut sie zu ihm. Dann sieht sie eine riesige, schiefe Nase, aus der schleimverklebte Haare wachsen oder zugequollene Augen, nur das eine einen Schlitz weit offen oder ein Ohr, das zur Hälfte fehlt und ihr wird heiß, sie zittert und schaut weg. Abends im Bett denkt sie daran zurück und wieder fühlt sie die Hitze, zieht ihr Körper sich zusammen.
Kurz bevor sie zu Hause ist, muss Silvia durch die kleine Gasse gehen. Dort ist außer ihr kein Mensch. Dann lauscht sie. Hört ihre Schritte. Und dann fremde. Hinter ihr geht einer. Sie will sich umschauen aber sie weiß, dass das nicht geht. Sie will schneller laufen aber auch das darf sie nicht. Sie lauscht auf die Schritte. Sind es die Schritte eines Psychopathen? Erst wenn sie wieder auf der großen Straße läuft wo normale Menschen sind, wagt sie es, sich umzuschauen.

So heiß allerdings wurde ihr noch nie, wie damals auf dem Zebrastreifen.